Bereits vor einigen Jahren hat die 53-Jährige ein Buch geschrieben, das zum internationalen Bestseller avancierte und in über zwanzig Sprachen übersetzt wurde. Das Buch heisst «Schloss aus Glas» (2006) und Walls erzählt darin von ihrer eigenen, unkonventionellen Kindheit.
In den 1960er- und 70er-Jahren vagabundierte sie mit den Eltern und zwei Geschwistern durch den Südwesten der USA, schlief in der Wüste unter freiem Himmel, oft mit knurrendem Magen und in zerschlissenen Kleidern. Der Vater hatte kein regelmässiges Einkommen, die Mutter wollte sich als Künstlerin verwirklichen und kümmerte sich wenig um den Nachwuchs.
Ein Schloss aus Glas in der Wüste
Trotzdem, sagt Walls, war es eine glückliche Kindheit. Der Vater liebte seine Kinder abgöttisch, ging mit ihnen auf Monsterjagd, schenkte ihnen zu Weihnachten einen Planeten, weil gerade kein Geld da war, um einkaufen zu gehen. Und er versprach, er würde seiner Familie eines Tages in der Wüste ein Schloss aus Glas bauen.
Was sie von ihren Eltern mitbekommen habe, sagt Walls heute, sei unerschütterlicher Optimismus in jeder noch so scheinbar auswegslosen Lebenslage. Trotzdem sei sie weit davon entfernt, diese frühen Erfahrungen zu glorifizieren.
Teenager in der US-Kleinstadt
Auch in ihrem neuem Buch lehnt sich Jeannette Walls an diese Erlebnisse an. «Die andere Seite des Himmels» ist zwar ein Roman, erzählt aber von zwei Teenager-Schwestern, die ebenfalls nicht ganz traditionell aufwachsen. Mit einer Mutter, die praktisch nie da ist, in einer Kleinstadt voller Vorurteile und Widerstände gegen ihre Familie. Aber mit nie versiegendem Lebensmut, entwaffnender Logik und grosser Zivilcourage behaupten sich die beiden Mädchen schlussendlich in der Welt der Erwachsenen.
«Die andere Seite des Himmels» ist die leise Geschichte zweier starker Mädchenfiguren – liebevoll erzählt aus der Perspektive der jüngeren Schwester, mit einer berührenden Mischung aus kindlicher Naivität und erwachsener Reife. Es gelingt Walls, vorurteilsfrei eine aussergewöhnliche Kindheit zu beschreiben – mutmasslich ähnlich derjenigen, die sie selbst erlebt hat. Ausserdem setzt sie dem Leben in einer konservativen amerikanischen Kleinstadt grosse Themen gegenüber, die die Welt, besonders die USA, um 1970 beschäftigten: etwa die durch das Gesetz verordnete Rassenintegration oder der Vietnamkrieg.
Ein lesenswertes Buch, das vielen Ansprüchen genügt: Es unterhält, berührt, regt zum Nachdenken an – und erzählt von unkonventionellen Lebensentwürfen. Vorurteilsfrei. Differenziert. Und inspirierend.