Schon vor dem Erscheinen des Buchs wird die Autorin Sandra Weihs mit dem «Jürgen-Ponto-Preis» für das beste Debüt 2015 ausgezeichnet. Der Jury gefällt die «packende, ja beklemmend realistische und harte Erzählung über junge Menschen von heute. Es geht darin um den Tod, aber auch und vor allem um das Leben.»
Der Schmerz betäubt ihre Qualen
Die Hauptfigur in Weihs Roman heisst Marie. Sie ist 18 und eine kluge, witzige Frau. Aber sie hatte keine schöne Kindheit. Deshalb wohnt sie in einer betreuten WG, zusammen mit anderen Jugendlichen aus schwierigen Familienverhältnissen.
Marie hasst ihre Mutter und das ganze Leben. Immer wieder schneidet sie sich mit einer Rasierklinge, um damit ihre Mutter spüren zu lassen, «dass sie Schuld hat an mir und daran, wie ich bin». Mit diesen Selbstverletzungen will sie das Böse herausbluten und ihre trüben Gedanken betäuben. Ein Notfallarzt diagnostiziert eine Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Reden über den Tod
Menschen mit einer Borderlinestörung haben Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie sind impulsiv, reagieren unkontrolliert und haben grosse Stimmungsschwankungen. Sie denken und handeln oft widersprüchlich. Marie sagt zum Beispiel, sie brauche nichts und niemanden, aber gleichzeitig möchte sie geliebt werden.
Dann lernt sie den gleichaltrigen Emanuel kennen. Auch er hat ein Problem: In seinem Gehirn wächst ein bösartiger Tumor. Die beiden kommen sich näher und endlich hat Marie einen Menschen, der sie versteht.
Sie sprechen viel über den Tod. Marie will nicht mehr leben und Emanuel will aus dem Leben gehen, bevor ihn der Krebs umbringt. Sie nimmt ihm die Angst vor dem Sterben. Gleichzeitig beginnt sie das Leben von einer anderen Seite zu sehen. Rührselig wird die Geschichte trotzdem nicht. Sandra Weihs driftet nie ab in den Kitsch.
Nicht auf den Mund gefallen
Der Roman ist tieftraurig und trotzdem hochkomisch. Diese Mischung gelingt der österreichischen Jungautorin sehr gut. Sie lässt Marie direkt und freimütig erzählen. Mit Schlagfertigkeit, herbem Charme und frechen Worten schlägt sie sich durch ihr verkorkstes Leben.
Witzig ist es zum Beispiel, wenn sie von ihrem leicht überdrehten Arzt spricht. Wie er sie mit seinem «Selbstüberschätzungssyndrom und Telenovela-Blick» anschaut und fragt: «Warum verstümmelst du dich selbst?» Marie antwortet: «Ach, dieses Waldsterben in Brasilien». Marie holt sich damit nicht nur Sympathien beim Therapeuten, sondern auch bei Lesern und Leserinnen.
Auch wenn manche Passagen zu extrem wirken und die Figuren teilweise überzeichnet, glaubt man der Romanautorin. Sandra Weihs weiss, wovon sie schreibt. Als studierte Sozialarbeiterin betreut sie auch Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen.