«Um Viertel vor 2 Uhr lag die Welt zu unseren Füssen, und das Matterhorn war besiegt. Hurra! Nicht ein Fussstapfen unserer italienischen Nebenbuhler war zu sehen.» Das schreibt der englische Alpinist Edward Whymper sechs Jahre nach der triumphalen Erstbesteigung auf den 4478 Meter hohen Gipfel in seinem Buch «Scrambles amongst the Alp».
Natürlich hat auch der Schweizer Alpinjournalist Daniel Anker Whympers Buch gelesen. Und viel mehr als das: Anker und ein 16-köpfiges Autoren-Team haben sämtliche Geschichten rund ums Matterhorn (italienisch «Cervino») gründlich untersucht.
Der gekränkte Nationalstolz
Das Herzstück dieser reich bebilderten Berg-Monografie ist sicher die Chronik. 1673 publiziert der italienische Kartograph Giovanno Tommaso Borgonio seine Karte und benennt den Gipfel zum ersten Mal mit «Monte Servino». Erst 1768 ist der stolze Berg als «Matter Horn» vermerkt. Hier sind die Italiener eindeutig schneller.
Dass die italienische Seilschaft 1865 den Kampf um die Erstbesteigung verliert, hat den Nationalstolz Italiens gekränkt. Für den italienischen Finanzminister Quintino Sella wäre die Erstbesteigung des Cervinos durch eine italienische Seilschaft ein willkommenes Symbol für den noch jungen Staat gewesen.
Die erste Matterhornfotografie
Bereits 1849 machen der englische Sozialphilosoph John Ruskin und der Fotopionier Jean-Gustave Dardel die ersten Fotoaufnahmen und legen damit den Grundstein dafür, dass sich das markante Bild des Matterhorns weltweit in den Köpfen der Menschen einbrennt. Das Matterhorn wird berühmt, taucht auf in Werbung, Film und Literatur. Und man beginnt zu vergleichen und merkt, dass es überall markante Berge ähnlich wie das Matterhorn hat: in Nepal, im Allgäu, in Kongo, im Tirol. Daniel Anker zählt 238 Matterhörner auf.
Sendungen zum Thema
Vom Matterhorn zum «Markenhorn»
Nach der Erstbesteigung vor 150 Jahren wird das Matterhorn für Zermatt endgültig zum «Markenhorn». Wesentlich dazu beigetragen hat der tödliche Absturz. Vier der sieben Erstbesteiger stürzen am 14. Juli 1865 über die Nordwand ab: darunter ein englischer Lord.
Queen Victoria war entsetzt, und die Londoner «Time» fragte: «Ist Bergsteigen nicht kriminell?» Letztlich hat Zermatt von der Tragödie profitiert: das Matterhorn ist für Alpinisten und Touristen ein Traumberg geblieben. Bis zu 1500 Menschen besteigen die majestätische Felspyramide pro Jahr. 500 Tote hat der Berg seit der Erstbesteigung gefordertCol Félicité
Daniel Anker und sein Autorenteam haben sorgfältig recherchiert und nähern sich dem Matterhorn in vielen Kapitel. Wir erfahren, dass auch Frauen früh davon träumten, auf dem Matterhorn zu stehen. Und dass die 18-jährige Italienerin Félicité Carrel auf einer Höhe von über 4300 Metern umkehren musste. Die Bekleidung der Bergführer-Tocher erweist sich als ungünstig. Der weite Rock wird zum Segel und der Wind reisst die junge Alpinistin fast fort. Ein Pass am Liongrat des Matterhorns, der Col Félicité, erinnert noch heute an diesen Augenblick.