«Fritz Honka war ein armes Würstchen, und er hatte auch noch das Pech, zum Mörder zu werden». Diesen Satz formulierte die Gerichtsreporterin Peggy Parnass 1975, als in Hamburg einem Mann der Prozess gemacht wurde, der im Suff vier Prostituierte umgebracht, zerstückelt und in der eigenen Wohnung versteckt hatte.
Gleichzeitig Opfer und Täter
Zum selben Schluss wie die Reporterin kommt auch der Autor Heinz Strunk, der die Geschichte des Frauenmöders Fritz Honka literarisch aufgearbeitet hat: Honka, dieser hässliche, geistig beeinträchtigte und sexuell gestörte Mann war genauso Opfer wie Täter. Die kaltblütige Bestie gab es nur in den Köpfen der Boulevardmedien.
In Realität hatte Fritz Honka nie eine Chance im Leben: Er wurde stets geprügelt, erniedrigt und herumgeschoben. Nur einmal, als 17-Jähriger, erlebte er als Hilfsknecht auf einem Bauernhof während ein paar Monaten familiäre Wärme. Danach war der Alkohol sein einziger Freund.
Stundenlang sitzt Honka in seiner Stammkneipe «Zum Goldenen Handschuh» vor seinem Lieblingsgetränk – Fanta mit Kornschnaps – und trifft dort seine nicht minder kaputten Kumpels: ausgemusterte Fremdenlegionäre, ehemalige Knastbrüder, Alkoholiker und Drogensüchtige. Sie tragen Namen wie «Leiche», «Anus» oder «Soldaten-Norbert.» Hier verkehren auch Honkas spätere Opfer, «die Tripperschicksen», wie er sie an einer Stelle nennt: verwahrloste, vom Krieg traumatisierte Prostituierte, die längst keine zahlenden Freier mehr finden.
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Bildhaft, präzis, und gnadenlos real
Der literarische Geniestreich von Heinz Strunk besteht darin, dass er nie zum Voyeur wird. Er stellt die verlorenen Kreaturen nicht bloss, er wertet nicht, er beschönigt nicht. Er erzählt einfach – und dies mit enormer Empathie, ohne je sentimental zu werden. Und mit einem sprachlichen Furor und einer atmosphärischen Dichte, wie man sie in der modernen Literatur selten antrifft: bildhaft, präzis, und gnadenlos real.
So real, dass man beim Lesen immer mehr in dieses Biotop der Trostlosigkeit hinabgleitet, sich angewidert und abgeschreckt fühlt von Dreck, Gestank und Derbheit, und sich dem Sog dieser Lektüre nicht entziehen kann. Vielleicht auch deshalb, weil bei allem Elend zuweilen Humor und Witz durchblitzen.
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Heinz Strunk, bekannt auch als Schauspieler und Komiker, nimmt hier auf vorbildliche Weise eine literarische Tradition auf, die einst Alfred Döblin, der junge Brecht, Hubert Fichte oder Jörg Fauser pflegten: Er richtet den Scheinwerfer schonungslos auf Menschen, die sich mitten unter uns und doch völlig ausserhalb der bürgerlichen Gesellschaft bewegen. Der «Spiegel» nannte den Roman «eine Zumutung, aber eine dringend notwendige.» Besser hätte man die Qualität von Strunks Roman nicht auf den Punkt bringen können.