Der Sohn möchte von seinem Vater Walter wissen, was im Zweiten Weltkrieg geschah, doch Walter schweigt – an dieser Stelle nimmt Ralf Rothmanns Roman «Im Frühling sterben» seinen Anfang.
Der Sohn vermutet, dass sein Vater nicht darüber reden kann, was er im Krieg erlebt hat. Darum schenkt er ihm ein dünnes Notizbuch. Walter sagt daraufhin nur: «Du bist der Schriftsteller.» Das Notizbuch bleibt – bis auf ein paar Ortsnamen – leer.
Tod durch Erschiessen
Nach dem Tod des Vaters nimmt der Sohn den Vater beim Wort. Er versucht, das Vakuum des Schweigens, unter dem er und sein Vater gelitten haben, mit Leben zu füllen – indem er die letzten Kriegsmonate seines Vaters nachzeichnet.
Walter und dessen Freund Fiete, beide Melker, waren 17-jährig, als sie kurz vor Kriegsende in die Waffen-SS eingezogen und an die Front nach Ungarn versetzt wurden. Als der Krieg fast schon verloren ist, begeht Fiete Fahnenflucht, wird jedoch gefasst. Das Urteil lautet: Tod durch Erschiessen. Walters Versuche, beim Sturmbannführer für Fiete Gnade zu erwirken, schlagen fehl. Stattdessen muss ausgerechnet er den Schiessbefehl ausführen.
Das Unmenschliche des Krieges in Sprachbilder gebannt
Nach Fietes Tod legt sich der Schatten des Krieges, den Ralf Rothmann in allen Grautönen beschreibt, endgültig über Walter – und auch über dessen Sohn. Dieser spürt die langen Schatten bis in die Gegenwart hinein.
«Im Frühling sterben» ist ein Roman darüber, wie die Söhne aus den Schatten ihrer Väter zu entfliehen versuchen. Aber es geht auch um Schuld und wie sich diese moralischen Zugriffen verwehrt.
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Der Krieg wird in apokalyptischer Bildhaftigkeit gezeichnet, mit Landschafts- und Tierschilderungen. Dadurch tritt das Unmenschliche des Krieges stärker hervor als in vergleichbaren Romanen der letzten Jahre, die sich mit der NS-Vergangenheit der Vätergeneration auseinandersetzten.