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Ein kleiner See im Sonnenlicht mit einer Brücke darüber.
Legende: An einem friedvollen See hofft der Protagonist Nakajima seine Rettung zu finden. Colourbox

Literatur «Der See» überzeugt als leise, melancholische Liebesgeschichte

Banana Yoshimoto gehört zu den literarischen Grössen Japans. Ihr neuer Roman «Der See» handelt von zwei jungen Menschen, die sich verlieben und näherkommen. Eine feinstoffliche Liebesgeschichte rund um ein grosses Geheimnis.

Zwei junge Menschen verlieben sich in Tokio. Eigentlich nichts Aussergewöhnliches. Im Roman «Der See» jedoch schon. Die Erzählerin Chihiro ist Kunststudentin. Sie hat sich in Nakajima verliebt – oder besser gesagt in seine Silhouette am Fenster gegenüber ihrer Wohnung. Wie konnte das geschehen?

«Mit der Zeit begann ich, morgens, sobald ich wach war, das Fenster zu öffnen und einen Blick zu Nakajimas Fenster hinüberzuwerfen. Es war mir dabei egal, ob ich noch den Pyjama anhatte oder wie meine Frisur aussah. Er war ja kein Fremder, sondern Teil einer vertrauten Szenerie. Damals glaubte ich noch nicht, dass wir uns je näherkommen würden.»

Was ist in seiner Jugend geschehen?

Und genau dieses Aufhorchen macht diese zärtliche Liebesgeschichte aus. Dieses Innehalten, um zu hören, was die Beiden einander zu sagen haben, was das Leben selber einem zu sagen hat. Es ist die Geschichte zweier Menschen, die im Charakter sehr verschieden sind. Sie: tatkräftig und voller Energie. Er: in sich zurückgezogen und des Lebens müde.

Buchhinweis

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Banana Yoshimoto: «Der See». Diogenes, 2014.

«Der See» ist ein Roman der leisen Worte. Ein Buch der Melancholie. Seelenzustände, über die Nakajima nur ungern spricht. Über die er aber letztlich sprechen muss, um überleben zu können. Und das ist zugleich das grosse Geheimnis dieser Geschichte: Was ist mit Nakajima in seiner Jugend geschehen, das ihn so am Leben verzweifeln lässt? Gemeinsam reisen Chihiro und Nakajima an den friedvollen See, wo Nakajima vielleicht seine Rettung findet.

Sorgen sind völlig unnötig

Das Leben bejahen, das ist, was Banana Yoshimoto in ihrem neuen Roman postuliert. Selbst bei einem so tragischen Schicksal wie dem von Nakajima und seiner verlorenen Jugend.

In jener Nacht, als Nakajima zum ersten Mal bei Chihiro bleibt, träumt sie von ihrer verstorbenen Mutter, die aus dem Jenseits zu ihr spricht: «Übrigens, wenn man von hier aus das grosse Ganze überblickt, wird einem vieles klar. Nicht dass man jetzt dies und jenes bereut, sondern dass es völlig unnötig war, sich Sorgen zu machen.»

Man soll dem Leben vertrauen. Das ist die Quintessenz von Banana Yoshimotos Roman. Weise Worte.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt vom 10.6.14, 8:10 Uhr

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