Man hat es in vielen Besprechungen von «Die Welt hört nicht auf» lesen können: Dem pakistanischen Autor Bilal Tanweer (33) gelingt eine differenzierte Auseinandersetzung mit seinem leidgeprüften Land.
Tatsächlich verbindet er die ungeschönte Darstellung des Schreckens mit einer sensiblen und poetischen Sprache.
Karachi, gewaltgeschüttelte Stadt
Es gab im Dezember 2012 eine Bombenexplosion in einem Bus, der gerade an die zentrale Busstation Cantt Station heranfuhr.
In «Die Welt hört nicht auf» wird diese Station auch benannt. Aber die Explosion, von der erzählt wird, steht exemplarisch für viele, die es gab und wohl auch noch geben wird.
Karachi, die grösste Stadt Pakistans, zählt weltweit zu den gefährlichsten Städten und hat die höchste Mordrate überhaupt.
2013 sind allein in der Metropole 3000 Menschen als Gewaltopfer gestorben. 2014 erschien Tanweers Buch.
Verschiedene Alltagssequenzen
«Die Welt hört nicht auf» erzählt Alltagssequenzen im Leben verschiedener Menschen. Da ist etwa der Genosse Sukhanaz, ein alter Dichter, der ein politischer Aktivist war und dafür auch im Gefängnis gesessen hat.
Einmal trifft er im Bus einen jungen Mann, der gerade dabei ist, sich selbst aufzugeben, und dem das Gespräch mit Sukhanaz hilft.
In einer anderen Szene trifft sich ein junges Mädchen heimlich auf der Treppe mit einem Mann, um mit ihm zu reden. Als die Grossmutter sie sieht, schleift sie ihre Enkelin an den Haaren die Treppe herunter und stellt sie vor allen bloss.
Pakistans Probleme
Tanweer wirft Blitzlichter auf einige der grossen Probleme Pakistans: die Rechtlosigkeit der Frauen und religiösen Minderheiten, Terrorismus und gewaltige Armut.
Dann geschieht die Explosion. Als Leser erlebt man sie zunächst aus einer Wohnung im fünften Stock, wo die Fenster explodieren und ein Mann sich in Todesangst verkriecht.
Erst allmählich versteht man, dass er der Sohn des Genossen Sukhanaz ist, der in dieser Todesangst voller Groll an seinen Vater denkt, der ihn immer vernachlässigt hat.
Ein Rätselspiel
Das Buch ist auch ein Rätselspiel, bei dem immer getestet wird, ob man wirklich als Leser wach genug für diese extreme Stadt Karachi ist.
Die Geschichten sind aus verschiedenen Perspektiven erzählt, und man muss sich zunächst orientieren, wer gerade spricht.
Das Fragmentarische des Lebens
Ganz bewusst hat Tanweer seine Geschichten fragmentarisch angeordnet. Sein Bild dazu sind die splittrigen Verästelungen, die sich um das Einschussloch auf einer Windschutzscheibe bilden: ein Bild, in dem sich krasse Gewalt und Ästhetik verbinden.
Mit seiner komplexen Struktur und poetischen Sprache wird das Buch seinem Thema gerecht: Es erzählt von der Würde des Alltags, der noch in der gewalttätigsten Stadt der Welt wie anderswo auch seine Momente der Schönheit und seine starken Begegnungen hat.