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Frau alleine auf einer Bank sitzend.
Legende: «Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm»: Wenn plötzlich nichts mehr ist, wie es einmal war. Reuters

Literatur Ein poetisches und meisterliches Buch über den Tod des Geliebten

Was passiert, wenn man den liebsten Menschen verliert? Wenn plötzlich die Person nicht mehr da ist, mit der man den Rest seines Lebens verbringen wollte? In ihrem Debütroman «Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm» erzählt die 39-jährigen Finnin Selja Ahava, wie ein Leben entgleitet.

Vieles ist gut, als Anna mit ihrem liebsten Antti auf einer Insel lebt. Sie fahren mit dem Boot hinaus, schauen von drinnen Gewittern zu. Sie verstehen sich oft wortlos: «Es tat gut, sich eine Landschaft zu teilen». Intensiv empfindet sie jeden Moment: «Wäre es möglich, Augenblicke einzufrieren, würde ich diesen in eine Plastikdose legen. Dann könnte man den Winter über davon zehren.»

Buchhinweis

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Selja Ahava: «Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm», Mare Verlag 2014.

Das Leben nach dem Tod

Aber dann stirbt Antti auf der Fernstrasse 7 bei einem Autounfall. Von da an kommt ihr sein Tod «an vielen Orten entgegen», und ihr Leben gerät auf seltsame Art aus der Spur.

Selja Ahava erzählt mit grosser Poesie und erstaunlicher Leichtigkeit vom erschütternden Prozess der Verstörung eines ganzen Lebens. Anmutig bahnt sich die Sprache der Erzählerin den Weg durch den schweren Stoff.

Anna zieht nach London und lebt dort mit ihrem neuen Partner Thomas. Aber sie ist vergesslich geworden; ganze Zeiträume fehlen ihr. Andere Dinge erfindet sie: Kinder, die sie gemeinsam mit Antti habe, tauchen plötzlich aus dem Hefeteig auf oder kriechen aus einer Ecke hervor.

Die Realität rutscht weg

Ist Anna dement? Ist sie verrückt – oder ist es das Leben selbst, das verrückt ist? Es zeichnet das Buch aus, dass dies in der Schwebe gehalten wird.

Das stärkste Bild für die unheilbare Entfremdung, die Menschen zustossen kann, ist ein Wal, der sich in die Themse verirrt hat. Zusammen mit Tausenden anderer Londoner schaut Anna eines Tages von einer Brücke aus auf das riesige Tier hinunter. Der Wal schwimmt durch London, stösst hier an Pontons, dort an Brückenpfeiler. Schliesslich stirbt er auf dem Deck eines Trawlers: «Er kam aus einer vollkommen anderen Welt.»

Sie wusste kaum, wer sie war

Ein wenig wie Anna selbst. «Es gab Tage, an denen sie kaum wusste, wer sie war. Tage, an denen sie den Mund aufmachte und nicht wusste, welche Sprache herauskommen würde. Jemand schlich ihr hinterher, leise und unabweislich, und ass Stücke ihres Gedächtnisses auf.»

Anna wird älter. Nach vielen Jahren, – sie ist inzwischen eine alte Frau – kommt Gott noch einmal zu Anna auf Besuch. Er war schon früher da gewesen, und mit seinem Schwung und seiner guten Laune scheint er der unkomplizierteste Gesprächspartner, den sie je hatte. Und natürlich ist er es, der sie noch einmal auf ihre Insel bringt.

Die 39-jährige Finnin hat mit ihrem Debütroman ein kleines, nicht nur sprachlich meisterliches Buch vorgelegt, das sensibel und stilsicher Nachrichten aus einer schwierigen Zwischenzone des Lebens überbringt.

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