Im Dorf Dumala sind die Fronten klar: Hier stehen die einfachen Leute, die Bauern und Handwerker. Und dort die Vertreter des Landadels, der seine besten Zeiten längst hinter sich hat. Doch das Gesellschaftsgefüge bröckelt, hier, im baltischen Dorf, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der Mitte der Gesellschaft steht Pastor Werner, eine Respektsperson, ein Bildungsbürger ohne Perspektiven. Pastor Werner und andere Dorfbewohner wollen raus aus der winterlichen Starre ihres Lebens.
Es kommt zu verschiedenen Ausbruchsversuchen, teils zaghaften, teils heftigen. So versucht der Pastor seiner Eheroutine zu entfliehen, indem er der schönen Baronin Karola nachstellt. Die Baronin Karola ihrerseits sehnt sich nach einem Ausbruch aus ihrem monotonen Dasein, das vor allem darin besteht, ihren kranken, bettlägerigen Gatten zu pflegen.
Von Keyserling, ein adeliger Autor
Einzig für die kleinen Leute verläuft das Leben weiter in der gewohnten Bahn. Ihr Traum von einem besseren Leben gipfelt in der Hoffnung, dass wenigstens der Tod Ruhe bringen möge und dass es dann ein Ende habe mit dem Mistverstreuen und dem Unkrautjäten.
«Dumala» ist ein Roman von Eduard von Keyserling. Er wurde 1855 als Spross einer deutschen Landadelsfamilie im heutigen Lettland geboren. In Wien studierte er Philosophie und Kunstgeschichte und begann zu schreiben. Mit dem Untergang der Adelsgesellschaft des Fin de Siècle wurde es still um den Schriftsteller. Nun hat vor einiger Zeit der Manesse Verlag damit begonnen, Keyserlings wichtigste Werke neu aufzulegen – zuletzt den erstmals 1906 erschienenen Roman «Dumala».
Knappe, präzise Sätze
In «Dumala» wie auch in seinen anderen Werken versteht es Keyserling meisterhaft, mit knappen, präzisen Sätzen eine ungeheure Stimmungsdichte zu schaffen. Mit psychologischem Feingefühl beschreibt er die Gefühlsverwirrungen, die Lebensferne und das orientierungslose Dasein seiner Figuren. Ihre Versuche, aus dem Korsett der eigenen Existenz auszubrechen, scheitern oder werden vorzeitig abgeblasen.
Am Schluss bleibt alles beim Alten. In «Dumala» bringt das Keyserling auf den Punkt, wenn Pastor Werner am Schluss des Buches zur bitteren Erkenntnis gelangt: «Da glaubt man, man sei mit einem anderen schmerzhaft fest verbunden, sei ihm ganz nah, und dann geht ein jeder seinen Weg und weiss nicht, was in dem anderen vorgegangen ist. Höchstens grüsst einer den anderen aus seiner Einsamkeit heraus.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 9.12.14, 17:45 Uhr