Golo Mann arbeitete hart an einem unabhängigen Leben – trotz der Hypothek, nur als «Sohn von Thomas Mann» wahrgenommen zu werden. All seine Erfolge als Sachbuch-Autor, Kommentator des Zeitgeschehens und allwissender Intellektueller konnten seine Seele aber nicht heilen. Immer haderte er mit dem übermächtigen Vater – und war ihm doch ein Leben lang treu.
Mehrfache Flucht
Golo, mit vollständigem Namen Angelus Gottfried Thomas Mann, trug eine grosse Last durch sein Leben: Er war eines der ungeliebten Kinder von Thomas Mann. Sowohl Mutter als auch Vater beschrieben ihren melancholischen Sohn als «fürchterlich» oder gar «verlogen und hysterisch».
Golo Mann flüchtete aus dem kalten Klima im Münchner Elternhaus geradezu in das feudale Internat Schloss Salem. Er studierte Philosophie und Geschichte, doktorierte über den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Die Nationalsozialisten beendeten schliesslich seinen beruflichen Weg in Deutschland. 1940 flüchtete Golo Mann nach Amerika zu seinen Eltern, die sich dank einer gutdotierten Gastprofessur für Thomas Mann an der Elite-Universität Princeton niedergelassen hatten.
Neuanfang im Exil
Aber auch in der neuen Welt fror es den Heimatlosen. Golo Mann litt am Exil, meldete sich zur US-Armee. Im Nachrichtendienst des Kriegsministeriums übersetzte er wichtige Informationen. Nach dem Krieg ergatterte er eine Dozentenstelle für Geschichte am Claremont College in Kalifornien.
Wieder lebte er bei seinen Eltern, im neu gebauten Haus in der Nähe von Los Angeles. Mittlerweile schätzte der Vater Sohn Golo als klugen Ratgeber. Auch am Claremont College wurde er geachtet, bis heute wird dort sein Geist mit Golo-Mann-Vorlesungen hoch gehalten.
Einer seiner Studenten von damals, der 82-jährige Eugene Wolver, war auch mit ihm befreundet. Er erinnert sich: «Golo kam oft zum Essen und brachte den Wein mit». Alle hätten ihn gemocht, erzählt Wolver, er sei eine grosse Persönlichkeit gewesen, gebildet und engagiert.
Gute Jahre
Golo Mann publizierte auch Leitartikel und Sachbücher, wie jenes über den «Geist Amerikas». Nach dem Tod seines Vaters 1955 erschienen seine bedeutendsten Werke, darunter die Biografie über Herzog Wallenstein, des Kaisers General im Dreissigjährigen Krieg.
Ein wahrer Bestseller aber wurde die «Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts». Mit diesem Standardwerk wurde Golo Mann berühmt und in der Öffentlichkeit als eigenständiger «Mann» angesehen. Er war zurück in Europa und gefragt. Er beriet Willy Brandt, kommentierte das Zeitgeschehen und wurde dann zum konservativen Denker, der Franz Josef Strauss im Wahlkampf unterstützte.
Sein Privatleben hielt er so gut wie möglich geheim. Der Pfeifenraucher galt als passionierter Wanderer. Aber er litt unter seiner unterdrückten Homosexualität – genau wie sein Vater. Golo Mann ging wieder zurück ins letzte Haus Thomas Manns in Kilchberg am Zürichsee. Dort lebte er fast bis zu seinem Tod am 7. April 1994.