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Mann vor blauem BIldschirm
Legende: In den Gängen der NSA: U.S. National Intelligence Director John Negroponte läuft vor einem Videoscreen vorbei. Reuters

Literatur Franz Kafkas «Der Bau»: die Wirklichkeit des WWW heute

Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte wird mit Starbesetzung ein literarischer Stoff verfilmt, der 2014 in die Kinos kommt. Es geht um Paranoia, um Sicherheit und Risikoabwehr. Und es ist eine grosse, spannende Parabel auf die Zukunft. Auf die Zukunft, die längst beginnt: Franz Kafkas «Der Bau».

Man muss sich die Zentrale der amerikanischen NSA in Fort Meade, Maryland nur unter Tage vorstellen, um Kafkas Vision zu erkennen. Das Abhörzentrum der Welt mit seinen labyrinthischen Gängen und den 17‘000 Parkplätzen einfach als einen Traum-Ort ohne Tageslicht. Ein Ort der Texte und Töne im unendlichen Datenstrom. Unwirtliche Heimstatt für tausende von Mitlesern, Mithörern im Auftrag der nationalen Sicherheit. Eine perfekte Schule von Gedächtnis und Gehör: Das ist Fort Meade, das ist «Der Bau».

Buchhinweis

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Franz Kafka: «Der Bau» in: Franz Kafka: «Die Erzählungen, Originalfassung.» S. Fischer Verlag 1997.

Franz Kafka sieht die Szenerie in seiner kurzen Erzählung als eine Art Dachsbau unter Moos. «Ich habe den Bau eingerichtet und er scheint wohlgelungen», beginnt der Text, geschrieben 1924. Es gibt versteckte Zugänge und falsche Fährten, Vorratskammern und Erkundungsgänge. Das «Risiko des Lebens» ist minimiert, Sicherheit und Schutz vor Feinden das Gebot der Stunde. Die Anlage scheint perfekt, der Angriff bleibt aus.

Schall und Wahn

Aber es gibt eine Störung, ein Störgeräusch. Ein leises Zischen dringt durch die Gänge, ein leises Pfeifen. Woher kommt es? Was ist die Ursache? Gibt es den «Zischer»? Die Suche beginnt, aber sie führt zu nichts. Keine Ortung, die Quelle bleibt unauffindbar. Das Geräusch, der Sound ist nur die Irritation im System. Die leise Panik im Labyrinth ist nicht mehr zu besänftigen. Sie ist die Energie, die alle Paranoia vorantreibt: Schall und Wahn.

«Brehms Tierleben» hat Kafkas Erzählung inspiriert, aber sie ist eigentlich eine negative Utopie auf die Zukunft des Internets. In ihr regiert der Verdacht. Er ist allgegenwärtig. Jeder ist verdächtig, jeder muss jederzeit beaufsichtigt werden. Vorausschauende Gefahrenabwehr heisst das und das muss sein. Die Tat soll vor der Tat erkannt, alles soll gewusst werden. Nichts darf verschwinden, nichts diskret, nichts privat bleiben. Abhören aus Prinzip. Das bindet alle Kräfte, psychisch und praktisch. Zugleich ist es mit kaum vorstellbaren Kosten verbunden, gesellschaftlich und materiell: «Big Data!»

Parabel um Sicherheit und Paranoia

Portrait, Zeichnung
Legende: Es ist die Wirklichkeit des World Wide Web im 21. Jahrhundert, die sich in Franz Kafkas Text ankündigt. Jan Hladík/Wikimedia

Es ist die Wirklichkeit des World Wide Web im 21. Jahrhundert, die sich in Franz Kafkas seltsamem Text ankündigt.

Kafkas präzise Parabel um Sicherheit und Paranoia ist eigentlich schon einmal verfilmt worden: 1974, in Francis Ford Coppolas «Der Dialog». Gene Hackman ist der Abhörspezialist Harry Caul,seine Waffen sind Mikrofone und ein Tonbandgerät. Das war einmal.

«Wie standen die Dinge zuletzt?», notiert Kafka. «Das Zischen war schwächer geworden? Nein, es war stärker geworden. Ich horche an zehn beliebigen Stellen und merke die Täuschung deutlich, das Zischen ist gleich geblieben, nichts hat sich geändert.»

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