Ein letzter schöner Sommertag in München. Die Stadt hat tatsächlich so etwas wie südliches Flair. Die Leute sitzen draussen, essen und trinken, reden miteinander und geniessen den letzten heissen Tag. Ich spaziere durch das Viertel nicht weit von der Isar und denke: Hier irgendwo lebt Gott.
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Gott sucht in München nach Trost
Später sitze ich in Axel Hackes Schreibstube im obersten Stock eines dieser sorgfältig sanierten Gründerzeithäuser. Axel Hacke erzählt mir, wie wichtig es ihm sei, seine fantastische Geschichte von Gott, der auf der Suche nach Trost zu den Menschen kommt, hier in München spielen zu lassen. In dieser Stadt, die Leichtigkeit ausstrahlt und das Schwere nicht negiert, wie er sagt.
Ja. Gott taucht plötzlich in München auf. In Form eines alten Herrn, der einem Künstler gleicht, der, wie manch anderer Künstler auch, mit seinem Werk nicht zufrieden ist. Und wie manch anderer Künstler auch sucht er Trost und findet keinen. Dafür einen Gesprächspartner, den Erzähler, Axel Hackes Alter Ego, mit dem er nun alles besprechen kann.
Wir müssen sprechen
Denn darum geht es denn auch: nach den Anschlägen auf «Charlie Hebdo» und das Konzerthaus Bataclan in Paris, nach diversen anderen erschütternden Ereignissen der letzten Zeit müssen Dinge geklärt werden. Mit ganz oben. Am besten mit dem, der sie geschaffen hat. Und Hacke, der nicht an Gott glaubt, wie er sagt, schafft sich einen Gott, mit dem er das alles durchdiskutieren kann.
Und so gehen die beiden zusammen durch eine polare Welt, in der die Schönheit eines schlüpfenden Schmetterlings nur von dem wirklich gewürdigt werden kann, der gesehen hat, auf welch grässliche Weise eine hungrige Wespe eine Raupe tötet.
Durch eine Welt, in der es «das grosse Egal» gibt, jenes Hauptprinzip, das Leute reihenweise draufgehen lässt, und niemand kümmert sich darum. Ein Prinzip, das aber auch macht, dass wir am Schluss des Buches eine Szene sehen, in der eine Familie zusammensitzt, die mit sich selbst so eins ist, dass sie das grosse Egal vergisst. Das ist Glück.
Unpädagogisch – trotz moralischem Anspruch
Ja. Es ist nicht einfach, die Schwere der Welt oder gar ihren Sinn in leichter Form zu beschreiben. Axel Hacke gelingt das erstaunlich gut und unpädagogisch. Wie einst Erich Kästner, dessen Leichtigkeit und tiefe Menschlichkeit hier anklingt, wie auch Antoine de Saint-Exupéry, an dessen moralischen Anspruch und sprachliche Einfachheit mit diesem Buch hier ständig erinnert.
Entscheidend dabei ist auch die Mitarbeit des Malers Michael Sowa, dessen Bilder genauso pendeln zwischen Münchner Leichtigkeit und Schwere. Wie vor zwanzig Jahren schon, als die beiden zum ersten Mal zusammenarbeiteten und «Der kleine König Dezember» verfassten. Schon damals übrigens eine Auseinandersetzung mit der Welt. Jetzt ist Gott noch dazugekommen. Schön. Und schön auch, dass der so sympathisch ist, dass eine echte Auseinandersetzung mit einer vom Scheitern bedrohten Schöpfung möglich ist.