«Sagen, was man denkt. Und vorher was gedacht haben»: Das war Harry Rowohlts Lieblingstugend. Rowohlt gehörte zu den bekanntesten Stimmen der deutschen Literatur: Der Schriftsteller und Übersetzer Harry Rowohlt ist nach langer schwerer Krankheit am 16. Juni im Alter von 70 Jahren in Hamburg gestorben. Das bestätigte sein Agent Ertu Eren der Deutschen Presse-Agentur.
Autor, Übersetzer, Whiskeyliebhaber
Harry Rowohlt galt als Multitalent. Er war Übersetzer zahlreicher Bücher aus dem Englischen, Vorleser, Autor, Original, Botschafter des irischen Whiskeys und seit 20 Jahren der «Penner» aus der Dauerserie «Lindenstrasse». Seine Markenzeichen waren die widerspenstige Mähne und der eindrucksvolle Bart.
Das Verlagswesen fand er «schrecklich»
Geboren wurde Harry Rowohlt am 27. März 1945 in Hamburg als Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt und der Schauspielerin Maria Pierenkämper. Nach dem Abitur war er Lehrling im Suhrkamp Verlag. Danach volontierte er kurz im Rowohlt Verlag und fand es «schrecklich», wie er wiederholt erzählte.
Gegen den Willen des Vaters stieg er danach nicht ins Familienunternehmen ein, sondern ging für eine Weile nach Amerika. Er kehrte nach Deutschland zurück und verdiente sich seinen Lebensunterhalt zunächst mit Werbetexten.
Übersetzer von «Winnie-the-Pooh»
Rowohlt war auch als Übersetzer bekannt und geschätzt. An die 200 Bücher hat er ins Deutsche übertragen. Mit der Übersetzung des Kinderbuches «The Last Man Alive» wurde er schlagartig bekannt. Unter dem Titel die «Grüne Wolke» schaffte das Werk als erstes Kinderbuch 1971 den Sprung in die «Spiegel»-Bestsellerliste.
Rowohlts Übersetzungen von «Winnie-the-Pooh» (Pu der Bär) wurden ebenfalls hochgeschätzt. «Winnie-the-Pooh» war sein erstes Buch überhaupt, seine Mutter las ihm daraus vor.
Gelobt wurden auch seine Übertragungen amerikanischer Literatur ins Deutsche – wie etwa die «Asche meine Mutter» oder «Auf Schwimmen-zwei-Vögel». «Er war der erste Übersetzer, der auf dem Cover eines Buches erschienen ist. Weil er so gut, so genial ist, hat er Freiheiten, die andere nicht haben», sagte die Übersetzerin Ruth Keen über Rowohlt.
Berühmter Vorleser und Schauspieler
Als Kolumnist und Vortragskünstler war Rowohlt viele Jahre fast ebenso gefragt wie als Übersetzer. In der «Zeit» schrieb er viele Jahre die Kolumne «Poohs Corner – Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand». Damit, so der Chefredaktor Giovanni di Lorenzo, habe er sich ins kollektive Gedächtnis der «Zeit» geschrieben und nebenbei den Humor ins Feuilleton gebracht.
Rowohlt war auch als genialer Vorleser bekannt. Seine Lesungen hatten einen legendären Ruf – Whiskey oder Wein fehlten dabei nie. Auch als Sprecher war der Mann mit der unverwechselbaren Bärenstimme tätig und erfolgreich. Unter anderem wurde er für sein sechsteiliges Hörbuch «Pu der Bär» ausgezeichnet. Zudem erhielt er den Sonderpreis des Deutschen Literaturpreises für sein Gesamtwerk.
Festes Mitglied der «Lindenstrasse»
Im Fernsehen war Rowohlt seit vielen Jahren in der Dauerserie «Lindenstrasse» zu sehen – als Penner Harry. Die Rolle erhielt er, weil er auf die Frage einer Zeitschrift nach seinem Lieblingsrestaurant vom «Akropolis» in der «Lindenstrasse» sprach. Der Witz war folgenreich: Rowohlt erhielt die kleine Rolle und wurde festes Ensemblemitglied. Noch vor kurzem sagte der «Lindenstrassen»-Erfinder Hans W. Geissendörfer: «Harry Rowohlt ist eine Lichtgestalt. Er spielt den Penner und mit jedem seiner Auftritte veredelt und verzaubert er die ‹Lindenstrasse›».