Wer Sätze schreibt wie «Er hat mit meinen Haaren auf seinem Gesicht geschlafen. Er hat gesagt, damit würde er sich sicher fühlen» kann kein schlechter Mensch sein. Vor allem aber ist das einer, der sein Handwerk beherrscht. Schreiben, dass es knallt.
Ein grosser amerikanischer Erzähler
Und so ist es auch diesmal wieder: Junot Diaz' Kurzgeschichten über sein Alter Ego Yunior, diesen etwas trägen, etwas dicken, etwas hässlichen dafür sehr intelligenten karibischen Jungen aus New Jersey, der liebend gern seinen IQ gegen ein halbwegs akzeptables Gesicht eintauschen würde, nehmen vom ersten bis zum letzten Moment gefangen.
Das liegt natürlich am Können des Autors. Spätestens seit seinem Welterfolg mit dem ersten und bisher einzigen Roman «Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao» ist bekannt, das Junot Diaz zu den ganz grossen amerikanischen Erzählern gehört. Man bekommt ja auch nicht einfach so für einen Erstling den Pulitzerpreis.
Yunior und die schöne Nilda
Das liegt aber auch an Yunior, dem dicklichen Nerd mit grossem IQ, dem traurigen Helden aus Diaz' Geschichten. Er kriegt es einfach nicht gebacken mit den Frauen. Man leidet mit ihm, wenn er sich in die hübschen Freundinnen seines viel besser aussehenden Bruders verliebt. Man ist schockiert mit ihm, wenn dieser grosse Bruder plötzlich krank wird und stirbt. Und man betet für ihn, dass ihn die hübsche Nilda endlich erhört. Tut sie aber nicht. Warum sollte sie auch?
Denn Nilda ist keine Romantikerin. Sie interessiert sich nicht für Yunior und seine Sehnsucht nach Kalifornien. Sie will wissen, woher das Geld kommt. Dafür fickt sie die Typen mit den grossen Wagen. Reihenweise. Die «Nigger mit den Goldketten», wie es heisst. Bis sie alt ist und verblüht. Mit 23. Aber so ist das in New Jersey. So ist das unter den Leuten aus Santo Domingo. Es gibt Schlimmeres.
Yunior ist da anders. Und das ist die andere Geschichte in diesem Buch. Yunior macht einen Weg. Am Anfang ist er der karibische Macho, der gerade seine Magda betrügt. Dafür bezeichnet er sich zwar selbstironisch und durchaus auch selbstgefällig als «sucio», als Arschloch, was ja ganz gut ankommt bei seinen Männerfreunden. Aber dass es seine Magda damit verletzt, dass er sie wirklich trifft, das geht im nicht in seinen karibischen Schädel.
Die Voraussetzung für Liebe
In späteren Geschichten ändert sich das. Da wird ihm bewusst, dass man durchaus auch mal die Möglichkeit hat, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Oder so etwas wie Mitgefühl zu entwickeln. Und zum Schluss setzt sich gar die Erkenntnis durch, dass Mitgefühl und dieses Sich-in-jemanden-hineinversetzen nichts mit Gutmenschentum zu tun haben, sondern Voraussetzung für Liebe sind.
Junot Diaz ist darum noch lange kein Moralist. Und ein Prediger schon gar nicht. Dazu ist er schlicht zu gut. Aber als amerikanischer Autor karibischer Herkunft hat er – zumindest in diesem Buch – ein Thema. Der karibische Machismo. Und er hat – in diesem Buch – auch eine Message: Er stellt dem karibischen Machismo ein anderes Verständnis von Mann-Frau Beziehung entgegen. Ein amerikanisches. Und so ist Junot Diaz vor allem einer, der von aussen schaut und von aussen schreibt. Als Amerikaner über Santo Domingo. Und als Dominikaner über die USA.