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Stich von Hokusai: Vor dem Fujiyama stehen Soldaten.
Legende: Wenn Klaus Merz «Fujiyama» hört, denkt er zuerst an die Stiche des Künstlers Hokusai. Wikimedia

Literatur Klaus Merz und Raphael Urweider verdichten ihre Japan-Eindrücke

Die beiden Autoren Klaus Merz und Raphael Urweider reisen nach Tokio. Zusammen mit japanischen Poeten schreiben sie das Kettengedicht «Es geht fast immer ein Wind». Nach ihrer Rückkehr geben wir ihnen Stichworte: «Fujiyama», «Sushi» oder «Sake». Die beiden antworten mit Eindrücken und Erinnerungen.

Sake (Japanischer Reiswein)

Klaus Merz: Ein Bier, an das man sich relativ schnell gern gewöhnt.

Raphael Urweider: Gebraut wie Bier. Wir waren mit dem besten Sake-Kenner der Schweiz unterwegs, mit dem Japanologen Eduard Klopfenstein. Sake ist sein Hobby. Den sogenannt besten Sake haben wir mit ihm in einem kleinen Restaurant in Tokio getrunken, seiner Lieblingskneipe. Speziell daran: Die Kneipe erinnerte an ein Chalet. Drinnen war alles mit Holz verkleidet, und es hatte kleine Holztische. Wir haben uns gefühlt wie im Berner Oberland.

Klaus Merz: Eben wie bei Klopfenstein zuhause.

Raphael Urweider: Ja, da, wo er herkommt. Das war schön. (Beide lachen.)

Shinkansen (Schnellzug in Japan)

Raphael Urweider

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Raphael Urweider ist der Sohn des Pfarrers und Schriftstellers Andreas Urweider. Er wuchs in Biel auf. Nach der Matura studierte er Germanistik und Philosophie an der Universität Fribourg. Sein künstlerisches Schaffen ist vielseitig: Er arbeitet als Lyriker, Theaterautor, Musiker, Regisseur, Literaturkritiker und Mundart-Rapper. Er lebt in Bern.

Raphael Urweider: Bei der Ankunft in Japan stieg ich in diesen Shinkansen und dachte: Genauso habe ich es mir vorgestellt. Ein unglaublich sauberer, elektronisch aufs Beste eingerichteter Zug. An jedem Sitzplatz ein Bildschirm. Dann schaue ich raus in die Landschaft, sehe die kleinen Häuser und etwas Schmutz – da bin ich froh, dass nicht das ganze Land so sauber ist wie der Zug.

Klaus Merz: Mir bleiben die weissen Handschuhe der Schaffner und Schaffnerinnen in Erinnerung. Und wahnsinnig: Das letzte Fenster wird frei gehalten, da schaut ein grüssender und weiss behandschuter Schaffner raus, die Mütze unter dem Kinn festgezurrt. Er schaut und winkt, bis man mit den unheimlich schnellen und geschmeidigen Zügen aus dem Bahnhof raus ist.

Fujiyama

Klaus Merz: Da denke ich sofort an Hokusai. Ich habe ein Buch von diesem Holzschnittkünstler aus dem 19. Jahrhundert. In seinen Bildern kommt immer irgendwo der Fujiyama vor – oft ist er irgendwo versteckt. Das Buch schaue ich oft mit meinem Enkel an, und wir spielen, wer ihn zuerst findet. Ich war sehr glücklich, dass ich den Fujiyama auf der Fahrt nach Kyoto ausgiebig anschauen konnte. Es ist schon ein sehr mystischer und mythischer Berg.

Raphael Urweider: Ich bin fast sicher, dass ich ihn von Tokio aus in der Abenddämmerung mal ganz schwach gesehen habe. Aber ich glaube, dass ich ihn gezeichnet besser kenne als in der Realität.

Japanische Höflichkeit

Klaus Merz

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Klaus Merz ist als Sohn einer Bäckerfamilie in Menziken aufgewachsen. Nach der Ausbildung zum Volksschullehrer unterrichtete er während Jahrzehnten neben seiner Tätigkeit als vielseitiger Schriftsteller. Vielfach ausgezeichnet, lebt Klaus Merz seit vielen Jahren in Unterkulm im aargauischen Wynental.

Klaus Merz: Als wir Kyoto besuchten, da waren wir häufig auf Auskünfte angewiesen. Wir wussten aber von Japan-Kennern, dass die Leute zwar sehr höflich sind, sie einen aber auch ganz höflich in eine falsche Richtung schicken, wenn sie den Ort nicht kennen, den man sucht. Das muss man einfach einberechnen.

Raphael Urweider: Die japanische Art von Höflichkeit kam mir etwas schräg rein. Es war Frühling, und 80 Prozent der Leute trugen auf der Strasse Gesichtsmasken. Aus Höflichkeit, sagte man mir, um die anderen vor Viren zu schützen. Auf mich wirkte es eher so, als wollten sich die Maskierten vor den anderen schützen. Es kam mir vor wie ein seltsames und kühl wirkendes Desinteresse am anderen. Diese Art Höflichkeit habe ich in dieser kurzen Zeit, wo ich da war, nicht geknackt.

Lost in Translation (Film)

Klaus Merz: Da kommt mir natürlich kein Japaner in den Sinn, sondern die beiden Schauspieler Scarlett Johannson und Bill Murray.

Raphael Urweider: Was ich spannend fand: Wir wohnten in der Nähe einer Ausgehmeile. Als ich am ersten Abend wegen des Jetlags nicht schlafen konnte, bin ich da spazieren gegangen. Ich sah Leute aus den unterschiedlichsten Kulturen. Unter anderem Menschen aus Afrika, Indien, Europa. Da fühlte ich mich sofort nicht mehr so «lost».

Sushi

Klaus Merz: Tja, es ist nicht meine Stärke, Sushi zu essen.

Raphael Urweider: Sushi ist gut, aber ich dachte beim Essen die ganze Zeit an Fukushima.

Grösste Überraschung

Literaturhinweis

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Klaus Merz, Raphael Urweider, Tanikawa Shuntaro und Kaku Wakako: «Es geht fast immer ein Wind». Wolfbach Verlag, 2015.

Klaus Merz: Die habe ich gemacht, als ich gehört habe, dass die Kirschblüten – diese unwahrscheinlich wunderbaren Kirschblüten – keine Früchte tragen, dass es Zierkirschen sind.

Raphael Urweider: Für mich eine physische Überraschung, nämlich ein Mini-Erdbeben zu erleben. Mit Japanern im selben Raum, die nicht mal vom Blatt aufschauten, als es passierte. Das war für mich eine existenzielle Erfahrung. Ich bin es gewohnt, wenn ein Boot wackelt; aber wenn man auf der Erde steht und es wackelt, das bringt vieles durcheinander.

Japan

Raphael Urweider: Ich wünschte, es wäre nicht so weit weg, ich ginge sofort wieder hin.

Klaus Merz: Da kann ich nicht abstrahieren von dem, was zurzeit politisch läuft. Ich bin gespannt, ob Fukushima wieder in Vergessenheit gerät – gerade mit dem Regierungschef, der im Moment am Ruder ist.

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