Traumgeschichten. Das war die erste Idee des Comic-Künstlers Stu Campbell, kurz Sutu. Vor ein paar Jahren fragte ihn eine Organisation für australische Kunst und soziale Gerechtigkeit für ein Projekt mit Kindern an. «Als Kind in Tasmanien wuchs ich mit den Geschichten der Aborigines auf. Es sind kraftvolle Geschichten, die dem Land sehr verbunden sind», erzählt Sutu.
Ein wichtiger Input kam von den Stammesältesten in der Gemeinde Roebourne, wo das Projekt stattfand. Es sollte nicht eine weitere Geschichte über Leid und Diskriminierung sein, die heute noch den Alltag der Aborigines prägen. Sie wollten eine fröhliche Geschichte, die den Kindern eine positive Zukunft zeigt. In Roebourne sind über die Hälfte der Einwohner Aborigines.
Die Kinder wollten Science-Fiction
Vor dem ersten Treffen mit den Kindern habe er an eine der typischen Traumgeschichten gedacht. «Die Kinder interessierten sich aber mehr für moderne Action- und Science-Fiction-Geschichten. So kam ich auf die Idee, eine Mischung aus futuristischem Abenteuer und alten Aborigines-Mythen zu erschaffen.»Über 500 Stunden arbeitete Sutu mit mehr als 40 Kindern im Alte von 7 bis 14 Jahren an dem Comic. Zusammen entwickelten sie «Neomad».
Mystische Weltraumtrümmer
Die Geschichte spielt bei den «Love Punks» in der Pilbara-Wüste, aber auch im Weltall, wo die «Satellite Girls» der Schwerkraft trotzen. Die Comic-Figuren sind quasi die Alteregos der beteiligten Kinder. «Das motivierte die Kinder. Sie begannen zu wetteifern und wollten sich auf jeder Seite gegenseitig die Schau stehlen», beschreibt Sutu die Zusammenarbeit.
In der Wüste bergen die «Love Punks» Trümmer aus dem Weltraum, auf die eigenartige Symbole eingeritzt sind. Nicht zufällig ist die Region Pilbara tatsächlich für prähistorische Felsbilder bekannt. In der Geschichte verschmelzen Sagen aus der indigenen Kultur mit Steampunk-Motiven. Kurz: ein «Mad Max für Kinder», wie Sutu die Geschichte von «Neomad» auf den Punkt bringt.
Kecke Mischung aus Alt und Neu
Umgesetzt wurde «Neomad» als interaktiver Comic mit Videos und klassischen Comic-Sequenzen. Gelesen wird er als App auf einem iPad. In den Workshops drehte der Künstler mit den Kindern Videoszenen und brachte ihnen den Umgang mit Bildbearbeitungssoftware bei. Die Kinder kolorierten in grellen Neonfarben die Zeichnungen Sutus.
Der interaktive Comic wurde ein Erfolg und international wahrgenommen, nicht nur in der westaustralischen Provinz. Nachdem ein Verlag den Comic in Buchform publiziert hatte, erhielt «Neomad» nun den «Golden Ledger». Damit werden jedes Jahr die besten Comics Australiens ausgezeichnet. Die Juroren lobten die visuelle Aufmachung und die Mischung aus alten und neuen Elementen.
Ein Gewinn für alle beteiligten Künstler
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Ein wesentlicher Punkt für die Auszeichnung ist auch die Herangehensweise, die den Comic als Medium oft ausmacht: die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft. In diesem Fall die des Künstlers mit den Kindern und der Gemeinde Roebournes. «Neomad» ist dem Wunsch der Stammesältesten gerecht geworden. Endlich kriegen die Aborigines eine Geschichte, die eine positive Zukunft zeichnet. Endlich hört Australien zu.
Und Sutu? Er pflegt immer noch den Kontakt mit den «Satellite Girls» und den «Love Punks» in Roebourne: «Kürzlich durfte ich bei einem Initiationsritual dabei sein, das seit Tausenden von Jahren in der Region praktiziert wird. Das war ein grosses Privileg.»