Der diesjährige Georg-Büchner-Preis geht an einen Autor, der einst daran dachte, den Schriftstellerberuf aufzugeben: «Die Vorstellung, dass ich Schriftsteller bin, war fiktiv geworden. Wenn man nichts mehr schreibt, ist man kein Schriftsteller mehr.»
Aus dieser Erfahrung entstanden zwei von Rainald Goetz' innovativsten Bücher: Gegen die Schreibkrise setzte er im gleichnamigen literarischen Bericht das «loslabern» als Prinzip. Eine Auseinandersetzung mit dem «politisch-journalistischen Komplex» fand im Fotoband «elfter september 2010» ihre Form. Beide Bände sind Teil seines sechsteiligen Werkes «Schlucht», in dem er die Nullerjahre analysiert. Daran knüpft auch sein neuer Roman «Johann Holtrop» an.
Expressivität und Kühle
Goetz studierte Geschichte, Theaterwissenschaft und Medizin in München und Paris. Er promovierte zuerst in Geschichte, später auch in Medizin. Bevor er den Beruf mit Anfang 30 zugunsten der Literatur aufgab, arbeitete er kurze Zeit als Arzt.
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Die Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung schreibt in der Begründung, dem 61-jährigen Münchner den mit 50'000 Euro dotierte Preis zu übergeben: «Rainald Goetz hat die deutsche Gegenwart der letzten dreissig Jahre beschrieben, zur Anschauung und zu Wort kommen lassen, er hat sie gefeiert und verdammt und immer wieder auch mit den Mitteln der Theorie analysiert. Hinter seiner nervösen, gespannten Erfahrungsbereitschaft stehen eine weite Bildung und ein empfindliches historisches Bewusstsein, die seiner Sprache eine Balance von leidenschaftlicher Expressivität, beobachtender Kühle und satirischer Deutlichkeit ermöglichen.»
Namhafte Preisträger
Der Georg-Büchner-Preis gilt als renommierteste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt vergibt ihn seit 1951. Namensgeber ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner.
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Unter den bisherigen Preisträgern sind die grossen Namen der deutschsprachigen Literatur zu finden: Gottfried Benn (1951), Erich Kästner (1957), Heinrich Böll (1967), Hermann Kesten (1974) , Friedrich Dürrenmatt (1986), Felicitas Hoppe (2012) oder Sibylle Lewitscharoff (2013). Im vergangenen Jahr erhielt Jürgen Becker die Auszeichnung.
Die Verleihung des diesjährigen Preises ist am 31. Oktober 2015 in Darmstadt vorgesehen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 8.7.15, 17.15 Uhr