Mit ihren historischen Romanen begeistert Rebecca Gablé ein grosses Lesepublikum. Ihre Mischung aus «History, Crime and Sex» unterhält. Die Autorin aus Deutschland versteht es gekonnt, Fakten und Fiktion so zu mischen, dass eine anregende Zeitreise vornehmlich ins englische Mittelalter garantiert ist.
Das gelingt ihr auch in ihrem neuen Roman «Das Haupt der Welt» gut. Doch dieses Mal ist der Schauplatz nicht England, sondern das ostfränkische Reich unter Otto dem Grossen, 929 bis 941 nach Christus.
Historisch belegte Protagonisten
Wir befinden uns im frühen deutschen Mittelalter. Der 16-jährige Otto der I. führt den Sturm auf die Brandenburg an. Es ist ein eiskalter Wintertag im Jahr 929. Der Fluss, die Havel, ist gefroren. Noch ist das Eis bläulich-weiss, doch bald wird es rot gefärbt sein.
Das ist nur einer von vielen Kampfschauplätzen, die Rebecca Gablé in «Das Haupt der Welt» beschreibt. Denn Otto der Grosse muss sich seinen Herrschaftsanspruch hart erkämpfen. Nicht nur politischer Druck von aussen, sondern auch innerfamiläre Intrigen machen ihm das Leben schwer.
Geschichtsschreibung ist auch Fiktion
Vieles an diesem historischen Roman «Das Haupt der Welt» basiert auf wahren Figuren und Begebenheiten. Otto selbst und seine Taten sind gut dokumentiert. So ist nur wenig, was Rebecca Gablé über ihn erzählt, tatsächlich erfunden. Aber um die grösstmögliche Erzählfreiheit zu haben, beschreibt die Autorin das Leben dieser bedeutenden historischen Figur aus der Perspektive des slavischen Fürstensohnes Tugomir, eines Priesters und Heilers, der beim Sturm auf die Brandenburg als Geisel genommen wird.
Über ihn und seine Schwester Dragomira ist historisch nur wenig belegt, doch ein paar wenige Fakten sind gesichert: Tugomir heiratete eine angelsächsische Grafentochter und kehrte zum Stamm der Heveller zurück. Dragomira hatte mit Otto dem Grossen ein uneheliches Kind, musste aber ein Dasein im Kloster fristen – eine traurige Existenz.
Dass Rebecca Gablé den beiden Figuren vieles andichtet, ist die Freiheit, die sie als Autorin hat. So kann sie biografische Lücken schliessen und sich geschickt der Figur Ottos annähern. Denn auch Geschichtsschreibung sei letztlich immer Fiktion, ist im Nachwort zu «Das Haupt der Welt» zu lesen.
Damit hat Rebecca Gablé durchaus Recht: Wie eine Epoche gewesen ist, wie eine Figur wirklich gedacht und gefühlt hat, das bleibt immer bis zu einem gewissen Grad Interpretation. Doch gerade dieses Rätselhafte ist der Geschichte Reiz.
Ritterromane à la Hollywood
Rebecca Gablé gehört zu jenen Autorinnen von historischen Romanen, die es verstehen, die Epoche, über die sie schreibt, bildhaft zum Klingen zu bringen. Ihre Bücher sind Hollywood-grosse Epen mit Kraft und Ausdruck. Der Umstand, dass sie immer aus der Perspektive eines männlichen Helden schreibt, mutet oftmals sehr klischiert an.
Sprachlich vermag Gablé ihre Figuren nicht wirklich in den Kosmos des Mittelalters zu versetzen. Sie lässt sie denken und sprechen wie heute. Insbesondere ihre starken, eigenwilligen und unabhängigen Frauenfiguren fallen aus dem historischen Rahmen und wären so im Mittelalter undenkbar. Dies schafft zwar Identifikationspotential, aber vom literarischen und historischen Anspruch her ist es eher platt. Der spannenden Story tut das allerdings keinen Abbruch.