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Schwarz-Weiss-Foto: Blick in ein Tal, in der Luft hängt Nebel.
Legende: Michael Fehrs Roman zeigt eine triste und düstere Schweiz. Flickr/Frank Meier

Literatur So liebevoll klingt die triste Schweiz des Michael Fehr

Der Autor Michael Fehr sorgt mit seinen Lesungen für Aufsehen – oder besser: für Aufhorchen. Denn die Texte des Berners sind anders. Sie klingen. Jetzt ist sein Roman «Simeliberg» erschienen: Ein düsterer Krimi, der nach Schweizer Heimat tönt – und die ist trist.

Wort und Klang: Bei Michael Fehr spielt diese Kombination eine besondere Rolle. Denn der stark sehbehinderte Berner ist ein bekannter Spoken-Word-Künstler. Seine Texte schreibt er nicht – er zeichnet sie akustisch auf. Und so liest man Michael Fehrs Texte nicht einfach. Sie tönen, wenn man sie liest. Auch sein vor kurzem erschienener Roman «Simeliberg» klingt ganz nach dem Berner Autoren. Der Roman ist ein dialekt-gefärbter, düsterer Krimi.

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«Simeliberg» ist ein richtiges Leseabenteuer. Das liegt vor allem an der Sprache, die zwar nicht neu, aber eigen ist. Fehr schreibt in einzelnen Zeilen, die manchmal nur ein Wort, manchmal eine ganze Phrase umfassen.

Ungewissheit durch die Sprache

Beim Lesen weiss man deshalb nie, wohin die nächste Zeile führen wird – ob sie etwas Neues bringt, das Vorherige präzisiert oder doch einen Umweg macht. Fehr lässt den Leser in einer Ungewissheit. Eine Ungewissheit, die er mit den Figuren in «Simeliberg» teilt.

Im Zentrum des Romans steht ein Bauer. Er wird verdächtigt, seine Frau umgebracht zu haben. Der Gemeindeverwalter muss ihn holen und zur Sozialbehörde bringen. Der Bauer ist ein unheimlicher Mann, predigt seine ganz eigene Sicht des Nationalismus und des Sozialismus und träumt von einem Neubeginn der Menschheit auf dem Mars.

Schreiben mit dem Mikroskop

Buchhinweis

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Michael Fehr: «Simeliberg». Der gesunde Menschenversand, 2015.

Auf dem Hof tragen sich unheimliche und mysteriöse Dinge zu. Eine Bande junger und wilder Kerle taucht auf – und bedroht auch den Gemeindeverwalter, der immer tiefer in die Sache reingezogen wird. Schreckliches passiert. Der Roman zeigt eine triste und düstere Schweiz. Er zeigt freudlose, böse Menschen. Er zeigt Trostlosigkeit und Einsamkeit. Verquer und spannend ist der Roman – und doch liebevoll erzählt.

«Simeliberg» liest sich nicht leicht und schnell wie ein Krimi. Michael Fehr zwingt dem Leser sein langsames Tempo auf. Fehr schreibt mit dem Mikroskop: Er ist nah an den Dingen, schreibt in höchster Präzision und in hoch verdichten Bildern.

Standard und Mundart ohne scharfe Grenzen

Der Roman ist eine Mischung aus Dichtung und Erzählung. Doch Fehr mischt nicht nur die Literaturgattungen, sondern auch die Sprachen. Der Berner schreibt in Standarddeutsch, verwendet aber oft Schweizer Dialektwörter. Ein gern gelesener Trend, der sich auch bei anderen Schweizer Schriftstellern wie Arno Camenisch oder Silvia Tschui zeigt.

Mit Masche oder Kalkül hat die Swissness in Fehrs Texten aber nichts zu tun: Den Unterschied zwischen Standardsprache und Dialekt mache er nicht, hat Fehr in einem Gespräch an der Leipziger Buchmesse erklärt. Es gebe für ihn nur die eine Sprache, die Wörter und Klänge, die ihm zu Verfügung stünden. Aus diesem Fundus schöpft Fehr seine Literatur.

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