Jean Hilliker, die attraktive Rothaarige mit dem Alkoholproblem ist 1958 ermordet worden: stranguliert mit ihrem eigenen Seidenstrumpf. Der Tod seiner Mutter ist die Geburt des Schriftstellers James Ellroy. Alle seine Romane variieren dieses einzige grosses Lebensthema, sein Lebenstrauma. Alle sind Kriminalromane.
Hollywood verfilmt seine exzentrischen Bücher über Los Angeles und das Verbrechen, über die Stadt ohne Rahmen und die Stadt ohne Seele: «Die Schwarze Dahlie» (1987) etwa und «L.A. Confidential» (1990) handeln von nichts anderem.
Recherche zur Ermordung seiner Mutter
Ellroys Roman «Die Schwarze Dahlie» wird ein Welterfolg. Das Sujet ist der bestialische Mord an der jungen Schauspielerin und Gelegenheitsprostituierten Elizabeth Short. «Die schwarze Dahlie stand für meine Mutter», sagte Ellroy 1997 in einem «Spiegel»-Interview. Ein Reporter habe sie so genannt, weil sie sich immer ganz in Schwarz kleidete.
Ellroy hatte in «Die schwarze Dahlie» ein Ersatzthema für seine Obsession gefunden. In der Protagonistin Elizabeth Short erkennt er seine Mutter Jean Hillker. Sieben Jahre nach diesem Roman startet Ellroy die Recherche zur Ermordung seiner Mutter. Er zieht in ein kleines Appartement in Newport Beach, südlich von Los Angeles, bestückt die Pinnwand mit Polizeifotos, Notizen und den Namen der Verdächtigen.
Bestseller statt Erkenntnis
In der «Akte Z-483-362» ist alles festgehalten. Ellroy erhält sie von Detective Bill Stoner, dem zuständigen Ermittler im Fall Hilliker. 36 Jahre nach dem Mord begeben sich die beiden noch einmal auf Spurensuche und ermitteln gemeinsam über ein Jahr lang. Am Ende bringt auch dies nichts als ein weiteres Buch: «Die Rothaarige» (1997) handelt von Jean Hilliker und seiner Suche nach ihrem Mörder. Es wird ein Bestseller.
«Die Rothaarige» ist aber auch das Dokument eines Scheiterns. Ehemalige Fahnder sind tot oder senil, Schauplätze verschwunden oder überwuchert. Die einzige noch lebende Zeugin gibt an, eine Falschaussage gemacht zu haben. Der Mord an Ellroys Mutter bleibt unaufgeklärt.
«Der Hilliker Fluch»: vulgär und manisch
In «Der Hilliker Fluch», das im Herbst 2012 auf Deusch erschienen ist, schreibt James Ellroy nun über sich, über sein Leben als Kind, als jugendlicher Kleinkrimineller, als Abhängiger von Alkohol, Drogen und Sex. Er schreibt über sein Leben ohne Frauen beim alleinerziehenden Vater, über seine gescheiterten Ehen und über Erika, seine letzte Geliebte. Und natürlich schreibt er wieder über seine Mutter Jean Hilliker.
Das ist manchmal quälend zu lesen, aber immer einzigartig und eindrücklich. Das Buch ist Beichte und Autobiographie, schonungslos im Umgang mit sich und den Anderen, vulgär und manisch in der Sprache. Das ist hässlich und schön zugleich.
«Der Hilliker Fluch» ist typisch Ellroy. Ein Ellroy-Buch mit Ellroy-Sound. Sein Untertitel ist – naturgemäss: «Die Suche nach der Frau».