Flirrende Hitze, frisch gefangener Fisch, knorrige Olivenbäume und steile Klippen – das gehört zur Kulisse von «Die Sommer mit Lulu». Letztere allerdings – die steilen Klippen – werden für die beiden Hauptfiguren des Romans zum Verhängnis.
Als der Roman beginnt, sind die beiden – sie heissen Lulu und Gerald – 80 Jahre alt. Vor vielen Jahren waren sie verheiratet. Aber auf der Hochzeitsreise passierte damals etwas so Dramatisches, dass sie sich den Rest ihres Lebens aus dem Weg gegangen sind.
Verheerender Sturz in die Tiefe
Nun, nach vielen Jahren, begegnen sie sich zufällig auf einem Küstenweg. Sie beginnen zu streiten, sie rutscht aus, er versucht, sie zu halten – und gemeinsam stürzen sie über einen Felsvorsprung hinunter ins Meer. In den Tod.
Das gemeinsame Ende von Lulu und Gerald ist gleichzeitig der Beginn des Romans. Peter Nichols erzählt die Lebensgeschichte der beiden rückwärts. Erst nach rund 450 Seiten erfährt man, was damals auf der Hochzeitsreise geschah. Bis dahin erzählt Peter Nichols von Episoden und Begegnungen im Leben der beiden Protagonisten und ihrer Familien. Liebesgeschichten, Affären, Intrigen inklusive.
Rückblick auf das eigene Leben
Mit «Die Sommer mit Lulu» hat Peter Nichols einen sehr persönlichen Roman geschrieben. Er verwebt eigene Kindheitserinnerungen mit eigenen Lebenserfahrungen. Als Kind und Jugendlicher hat der heute 60-jährige Nichols viele Sommer auf Mallorca verbracht – und sich beim Schreiben an die sinnliche, sommerliche Atmosphäre erinnert.
Auch viele Begegnungen, die Nichols in seinem bisherigen Leben hatte, sind in den Roman eingeflossen. Allerdings nicht eins zu eins. Wie er im persönlichen Gespräch verrät, geht es ihm vielmehr um Wesenszüge oder Verhaltensmuster.
Eine sonnendurchflutete Geschichte
Diesen Roman muss man sich als Leser zuerst erkämpfen. Es dauert ein paar Seiten, bis man sich an den Schauplätzen zurechtfindet und versteht, wer zu wem in welcher Beziehung steht.
Dann aber taucht man ein in die Geschichte und bekommt ganz nebenbei auch einige Denkanstösse. Das Leben von Lulu und Gerald macht deutlich, dass es nie eine einzige Wahrheit gibt. Und dass das Leben eine ganz andere Wendung nehmen kann, wenn man sich weigert, die Wahrheit eines andern anzuerkennen.
Vor allem aber ist «Die Sommer mit Lulu» eine sonnendurchflutete Geschichte. Nie kitschig, aber mit allen Zutaten, die man sich auf einer Reise ans Mittelmeer wünscht. Am besten liest man sie in einer alten Hafenbar, in einer Hand ein Glas schweren Weins, mit Sand zwischen den Zehen.