Der Fortschritt in Europa ging wesentlich vom warmen Mittelmeer aus. Was sich damals in deutschen Eichenwäldern abspielte, ist nicht der Rede wert. Mal abgesehen vom immensen technologischen Abstand zwischen Germanen und Römern, sind es deren sehr verschiedene Lebensumstände, die Sebastian Schnoy launig aufarbeitet.
Ein Kulturschock für den römischen Gelehrten Plinius
Schnoy erzählt vom Römer Plinius, dem stilbewussten Metropolenbewohner. 47 nach Christus reiste er nach Germanien. Die Germanen leben im Matsch, notierte er in seinen Briefen. Keine Brücken, kein einziges mehrstöckiges Bauwerk, keine Fussbodenheizung. Stattdessen hausen sie in elenden Hütten. Mit vielen Verwandten und ebenso vielen Tieren. Plinius: «Sie schlafen viel, kein Wunder, ist doch das halbe Jahr bei ihnen Winter.»
Was wir den Italienern zu verdanken haben: Mörtel (Mortarium), Vespa, Religionsfreiheit, Gips (Gypsum), Bankwesen, die Sixtinische Kapelle, den Monat Juli, die Stradivari, Michelangelo und Leonardo da Vinci, die erste Rheinbrücke für Köln, die Moneten und noch vieles mehr.
Geschichte als Sammlung von Geschichten
Schnoy legt Wert darauf, die europäische Vergangenheit vom Ballast der historischen Grossereignisse zu befreien und dafür in den Alltag der Menschen einzutauchen. In diesem Zusammenhang zitiert er den britischen Schriftstseller Somerset Maugham, der einst ätzte: «Der Historiker ist ein Reporter, der überall dort nicht dabei war, wo etwas passiert ist.»
Blind Date im Mittelalter
Geschichten werden erzählt. Das beherzigt der Autor, wenn er uns durch die europäische Geschichte führt. Heinrich der Achte zum Beispiel wird bei Schnoy zu einem Opfer des Blind Date. Seine erste Frau ehelichte er, ohne sie persönlich getroffen zu haben. Hans Holbein hatte sie gemalt und wohl derart geschönt, dass sich der König genarrt fühlte. Immerhin liess er diese Ehe nur annullieren, das Schicksal seiner späteren Frauen war noch unschöner.
Raubzüge von Napoleons Frau
Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat. Kein Geringerer als Napoleon prägte diesen Satz. Und der kürte sich nicht nur beherzt selber zum Kaiser, nein, er erbeutete auch Länder in Hülle und Fülle. Schnoy vermutet, dass manche dieser Raubzüge auf das Konto seiner Frau Josephine gingen. Vorstellbar, dass diese Napoleon zu Hause so zusetzte, dass er lieber wieder auf Eroberungstouren ging.
Immer wieder 89
Egal in welchem Jahrhundert, 89 war fast immer etwas los. 1789 zettelten die Franzosen ihre Revolution an. Die englischen «Bill of Rights» von 1689 kommen 1789 als Bumerang aus Amerika zurück. Ein Parlament mit Rechten fanden die Briten ja gut, aber nicht für ihre Kolonien. Das Jahr 1989 mit dem Fall der Mauer soll auch erwähnt sein.
Das Ziel: die Vereinigten Staaten von Europa
Nicht nur möchte Schnoy uns mit seiner heiteren Historie Europas zu Hobby-Historikern machen. Er legt uns auch die europäische Idee ans Herz, an der heute ja nicht wenige zweifeln. Es hakt im europäischen Getriebe, na und? Kein Grund Europa aufzugeben. Die Deutschen sollten sich nicht so aufspielen, sondern lieber mal an die Zeit denken, als sie noch «bematschte» Germanen waren und ihr bisschen Grips mit einem ekligen Biergebräu wegsoffen. Und sich ins Bewusstsein führen, wieviel die fleissigen Nordeuropäer denen im Süden zu verdanken haben.