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Feld in der gleissenden Sonne, ein Gewitter zieht auf.
Legende: Die Hitze ist das Leitmotiv: Sie verbrennt nicht nur die Erde, sie brennt sich auch in die Gefühle der Romanfiguren. colourbox

Literatur Vom Ende eines heissen Sommers, einer Ehe und einer Unschuld

Mit «Das Flirren am Horizont» ist dem Schweizer Autor Roland Buti ein eindringliches und kulturhistorisch bedeutsames Werk gelungen: Die Geschichte über das Ende einer Kindheit, einer Ehe und der traditionellen Landwirtschaft in der Schweiz. Ein Roman, den man nicht so schnell wieder vergisst.

«Es war im Juni des Jahres 1976. Es war der Beginn der grossen Ferien meines dreizehnten Sommers. Es war das Jahr der Dürre.» So beginnt Roland Butis Roman «Das Flirren am Horizont». Der Roman spielt im Hitzesommer 1976 auf einem Bauernhof im Waadtland. Die Hauptfigur ist ein Junge. Er heisst Auguste Sutter und ist 13 Jahre alt. Er beobachtet, wie seine Mutter mit einer anderen Frau durchbrennt, wie sein Vater vor Eifersucht durchdreht und wie Rudy, der Hofknecht, von einem Balken erschlagen wird. Ein unnötiger Tod, der aber symbolisch den Zeitpunkt markiert, an dem für den Vater alles, was ihm wichtig ist, verloren geht.

Buchhinweis

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Roland Buti: «Das Flirren am Horizont». Übersetzt aus dem Französischen von Marlies Russ, Nagel & Kimche, 2014.

Die Sonne verbrennt nicht nur die Erde

Roland Butis Roman, der Anfang 2014 mit einem der Schweizer Literaturpreise ausgezeichnet wurde, erinnert an eine griechische Tragödie. Die unheilvolle Aneinanderreihung von Ereignissen, die einen ganz normalen bäuerlichen Alltag zum Implodieren bringen, baut Spannung auf und lässt den Leser die grosse weite Welt vergessen. Man taucht richtiggehend in den abgeschiedenen Mikrokosmos des Bauernbetriebs im Waadtland ein.

Die Hitze zieht sich als Leitmotiv durch den ganzen Roman. Die Sonne verbrennt nicht nur die Erde, sondern brennt sich auch in die Gedanken und Gefühle der Romanfiguren. Alle befinden sich im emotionalen Ausnahmezustand. Der Junge Auguste Sutter hat von der Hitze feuchte Träume und verliert seine Unschuld mit einem Mädchen aus dem Dorf. Die Hühner in der neuen Hühnermastzucht sterben den Hitzetod und Bagatelle, das alte Pferd, wird während einem heftigen Gewitter vom Blitz erschlagen.

Ausdrucksstarke Sprache

Roland Buti läuft mit dieser Romananlage Gefahr, ins Triviale abzusacken. Er lässt fast nichts aus, was die Ereignisse dramaturgisch noch weiter zuspitzt.

Doch trivial ist der Roman dennoch nicht, im Gegenteil. Die Figuren sind tiefgründig gezeichnet und auch die Struktur des Romans überzeugt: Der Ich-Erzähler Auguste Sutter blickt 30 Jahre später auf die Ereignisse des Hitzesommers 1976 zurück. Und zwar am Tag der Hofversteigerung. Jener Tag, der das Ende des Bauernbetriebes seines Vaters und damit symbolisch das Ende der traditionellen Landwirtschaft im Waadtland besiegelt.

Wie der Autor diese kulturhistorisch verankerte Geschichte erzählt, ist beeindruckend. Die Sprache, die er dafür findet, ist ausdrucksstark, bildhaft und dabei schneidend scharf. Der Roman mutet an wie ein Film in Sepiatönen, der zudem noch nach Sommer riecht. Eine Geschichte, die man so schnell nicht wieder vergisst.

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