Er ist ein cooler Typ. Sein Erscheinungsbild, sein Auftreten, sein Name, alles Markenzeichen. T.C. Boyle ist ein Star. Er weiss das und er spielt damit. Sehr cool, sehr souverän.
Ein Werbevideo in eigener Sache zeigt ihn in Santa Barbara an der kalifornischen Küste mit einer Pumpgun im Arm. Und es zeigt einen Autor, der knapp und präzise beschreibt, worum es in seinem Buch geht: Gewalt und Waffen, Freiheit und Verfolgungswahn, die Lage in den USA.
Am Anfang steht ein Mord aus Notwehr. Der pensionierte Schuldirektor Sten Stensen ist mit einer Reisegruppe auf Kreuzfahrt in Costa Rica. Als die Gruppe überfallen wird, tötet Sten einen der Angreifer und vertreibt die anderen. Die Tat geschieht plötzlich, aus einer Eingebung heraus. Sten war bei den Marines in Vietnam und spürt: Er hat nichts verlernt. Das ist der furiose Auftakt, aber eigentlich nur der Prolog zu einem Geschehen eskalierender Gewalt.
Beiträge zum Thema
- Die Geschichte und der Autor T.C. Boyle (Reflexe, 22.11.13)
- «San Miguel» von T.C. Boyle (Literaturclub, 22.10.13)
- Boyle über den Wert der Natur (Wissenschaftsmagazin, 12.5.12)
- Literatur im Gespräch: Boyle und Stewart O'Nan (Reflexe, 28.2.12)
- «Zähne und Klauen» von T.C. Boyle (52 beste Bücher, 30.3.08)
Freakig, aber nicht skurril
Die Hauptfiguren des Romans sind Adam Stensen – Sten Stensens Sohn – und Sara Jennings. Ein Zufall führt sie zusammen, als Adam irgendwo im Land als Anhalter in Saras Auto steigt. Ein schräger, kahlrasierter Typ in einer Art Tarnanzug. Zwei Aussenseiter finden sich und bleiben zusammen. Was sie verbindet, ist die rabiate Ablehnung staatlicher Ordnung. Die Polizei ist der Feind oder die Steuerbehörde, die Presse und die Regierung. Sara ist Mitglied der Sekte «Sovereign Citizens», vereint gegen alles, was ihre persönliche Freiheit begrenzt.
T.C. Boyles Liebe zu Freakgeschichten ist bekannt. Aber hier gibt es nichts Skurriles. Hart auf hart stellt der Autor Fragen nach Freiheit und ihren Grenzen. Was passiert, wenn Ordnung radikal abgelehnt wird, wenn man im «Land der Freien» Freiheit so deutet? Wieviel Selbstbestimmung ist möglich, ohne zum Outlaw zu werden? Wird das Leben nach radikalen Prinzipien schon dadurch entwertet, das man Adam Stensen bald als schizophren erkennt? An Psychologie ist T.C. Boyle nicht interessiert. Die Dinge geschehen wie sie geschehen. Sie passieren einfach, fast ohne biografische Herleitung.
Die amerikanische Seele
Adam, der Sohn aus der Mittelklasse, dreht durch, als das Haus, in dem er lebt, verkauft wird. Er tötet zwei Menschen und hält sich für den Trapper John Colter, eine echte, legendäre Figur der amerikanischen Gründungsmythologie. Als Colter lebt Adam jetzt in den Wäldern Nordkaliforniens. Vom FBI verfolgt, kommt es zum Showdown.
An den Anfang seines Buches stellt Boyle ein Zitat des englischen Schriftstellers D.H. Lawrence: «Die amerikanische Seele ist ihrem Wesen nach hart, einzelgängerisch, stoisch und ein Mörder. Sie ist noch nicht geschmolzen.» T.C. Boyle hat seine Story danach gebaut und, wie immer, gut recherchiert: Vor zwei Jahren ist in den kalifornischen Wäldern tatsächlich ein Schwerbewaffneter von einem Polizeiaufgebot gestellt worden.
Ebenfalls in Südkalifornien, wo jener Todesschütze gejagt wurde, lässt sich nun T.C. Boyle für sein neues Buch abfilmen – mit dem Gewehr im Arm. Ein Freund habe es ihm geschenkt. «Da gibt es draussen eine Menge Leute, die nicht unbedingt immer nur gute Absichten haben», so T.C. Boyles Kommentar.