In «Gegenspiel» erzählt Stephan Thome von einem ganz normalen Leben. Er erzählt die Geschichte von Maria. Maria wächst in Lissabon in Portugal auf. Ende der 70er-Jahre verlässt sie ihre Heimat und geht nach West-Berlin, um zu studieren. Dort gerät sie in die wilde Kreuzberger Hausbesetzer-Szene der 80er-Jahre und verliebt sich in den jungen Theater-Regisseur Falk. Diese Zeit ist bewegend und wichtig für Maria: Sie entdeckt Simone de Beauvoir für sich und lotet permanent die Grenzen ihrer Selbstbestimmung aus.
Ein sicherer Hafen
Als es aber ans Heiraten geht, entscheidet sich Maria dann doch für die bequeme Lösung – und die heisst Hartmut. Hartmut hat eine aussichtsreiche Karriere als Philosophieprofessor vor sich. Er heiratet Maria, sie geht mit ihm in die deutsche Provinz nach Bonn, bekommt dort eine Tochter – und fällt in eine Depression.
Viele Jahre später kriegt Maria den Rappel. Das kann doch noch nicht alles gewesen sein, denkt sie sich. Sie geht wieder zurück nach Berlin, um dort für ihren ehemaligen Freund Falk am Theater zu arbeiten. Mit diesem Schritt in die Wochenend-Ehe löst sie eine handfeste Ehekrise aus.
Was ist ein gelungenes Leben?
Beitrag zum Thema
Der deutsche Schriftsteller Stephan Thome erzählt seine Geschichte vor der Kulisse deutscher Zeitgeschichte. «Gegenspiel» erzählt von einem Leben, wie es vielen Leserinnen hätte widerfahren können. Mit Fragen, die jeder sich vermutlich immer wieder selber stellt: Was ist ein gelungenes Leben? Was ist ein selbstbestimmtes Leben? Und vor allem: Wann bin ich Autor meiner eigenen Biographie? Immer mit dem Blick auf die vielen Zwänge, denen man im Leben unterworfen ist. Es geht in «Gegenspiel» um Träume und darum, was im Laufe eines Lebens aus ihnen wird. Und es geht um die individuellen Grenzen der Freiheit in unserer Gegenwart.
Zwischen Ehrlichkeit und Lügen
Dabei ist die Hauptfigur Maria hin- und hergerissen zwischen dem konservativen Milieu, aus dem sie stammt, und der wilden, revoltierenden Stimmung, die im Berlin der 80er-Jahre in Kreuzberg spürbar wird. Zwischen Ehrlichkeit und Lügen, die ihr das Leben bisweilen fast aufdrängt. Dass sie sich in all ihrer Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit dem Leben stellt, macht sie als Protagonistin umso glaubwürdiger.
Stephan Thome setzt in einer komplexen Montagetechnik die Szenen eines Lebens wie ein Mosaik ineinander. Er bleibt dabei nah an seinen Figuren und ihrem Innenleben, bindet Marias Leben gesellschaftlich und zeithistorisch ein. Und das alles in Referenz an das realistische, psychologische Erzählen, wie es die grossen amerikanischen Erzähler pflegen.
«Gegenspiel» ist ein Roman über Lebenslügen, über eine Ehekrise und darüber, wie schwer es ist, seinen eigenen Weg im Leben zu finden.