Viele Deutschschweizer sprechen laut dem Dialektologen Martin Graf vom «spitzen und unangenehmen Thurgauer Dialekt». Graf lehnt dieses innersprachliche Argument ab und sieht für die Ablehnung vielmehr historische Gründe: «In der Weltgeschichte wird das Östliche immer wieder mit Vorbehalten angeschaut. Der Westen gilt vielen als Leitkultur.»
Warum so unbeliebt?
Spitze Vokale gebe es auch in Graubünden, im Wallis und in der Innerschweiz. «Ich sehe das als eine Art Konditionierung. Wenn es heisst, die Ostschweiz sei unbeliebt, braucht man eine einfache sprachliche Begründung dazu.» Das Italienische sei ein schönes Beispiel für eine Sprache mit spitzen Vokalen, die sehr beliebt sei.
Das einzige innersprachliche Argument sei das «Zäpfchen-r» der Thurgauer. Dieses gelte seit dem 17. Jahrhundert als abgehoben. Es kam wohl vom Französischen übers Standarddeutsche in den Thurgau. Überhaupt habe der traditionell offene Thurgau sprachlich eine Scharnierposition zwischen der deutschen Schweiz und dem weiteren deutschen Sprachraum.
«Mostindien» wegen reichem Hinterindien
Dialektgrenzen entlang der Kantonsgrenzen gibt es kaum. Darum kann man auch nicht von «dem» Thurgauer Dialekt sprechen, sondern höchstens von vier verwandten Zonen. Martin Graf nennt hier sprachgeschichtliche, lautliche und wortschatzmässige Beispiele. «Mer gond, mer hond» (westlich und südlich «mer gönd, mer hend») oder «zwanzg» statt «zwänzg» sind solche Eigenheiten.
Graf, der beruflich beim Idiotikon (Schweizerdeutschen Wörterbuch) arbeitet, erläutert auch den Übernamen «Mostindien» für den Thurgau. Dieser wurde Mitte des 19. Jahrhunderts mit vielen ähnlichen Übernamen für Kantone, Regione und Städte erfunden. Die arme Ostschweiz wurde humorvoll dem reichen Hinterindien gegenübergestellt. Die Form des Thurgaus auf der Schweizer Karte dürfte aber auch dazu beigetragen haben.