Die Schwedische Akademie – die Jury für den Literaturnobelpreis – bröckelt nach ihrem Korruptions- und Belästigungsskandal mehr und mehr: Am Donnerstag traten zwei weitere Mitglieder zurück. Laut Gerüchten sollen weitere Rücktritte folgen.
Mittlerweile sind nur noch 11 der 18 Stühle der Akademie besetzt. Ersetzen lassen sich die Zurückgetretenen nicht: Eine Mitgliedschaft ist lebenslänglich. Sie erlischt erst mit dem Tod. Rücktritt hin oder her.
Statuten aus der Zeit der alten Könige
So steht es in den Statuten der Akademie, die in schwer verständlichem Schwedisch abgefasst sind. Sie stammen aus dem Jahr 1786 und sind noch immer gültig.
In diesen aus einer völlig anderen Zeit stammenden Bestimmungen heisst es auch, dass das Gremium mindestens 12 Mitglieder umfassen müsse, damit es beschlussfähig sei. Können die verbliebenen elf also im Herbst den Preis gar nicht mehr vergeben?
Mehrheit der Stimmen könnten reichen
Vermutlich schon. Denn die Bestimmung des 12er-Quorums bezieht sich genau genommen nur auf die Fähigkeit der Akademie, neue Mitglieder zu wählen.
In den viel jüngeren Bestimmungen zum Nobelpreis heisst es hingegen lediglich, es brauche für die Wahl des Preisträgers die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Vergabe würde zur Farce verkommen
Angesichts des derzeitigen Reputationsschadens würde eine Vergabe wohl dennoch zu einer Farce verkommen. Der schwedische König Carl Gustaf hat den verbliebenen Mitgliedern denn auch ins Gewissen geredet und einen eindringlichen Appell an sie gerichtet, eine Lösung zu suchen.
Die Rolle des Königs
Wie es aussieht, bleibt dem König letztlich nichts anderes mehr übrig, als das Heft selbst in die Hand zu nehmen: für Transparenz zu sorgen über die skandalträchtigen Vorgänge.
Laut Insidern beabsichtigt er, die Statuten zu ändern und etwa die überkommene Klausel der lebenslänglichen Mitgliedschaft in der Akademie kippen.
Carl Gustaf sieht sich offenbar dazu befugt, da – wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen – die Statuten ja von einem seiner monarchischen Vorgänger geschaffen worden sind. Diese Auslegung dürfte allerdings noch allerlei Juristenfutter bieten.
Auslegung wird Juristenfutter bieten
Gelingt diese Statutenänderung, wäre jedoch zumindest der Weg frei, die Akademie wieder aufzustocken oder gar völlig neu aufzustellen. Dies böte formaljuristisch eine Klärung der verworrenen Situation. Aber auch nicht mehr.
Krise als Chance nutzen
Für die Zukunft des Literaturnobelpreises dürfte entscheidend sein, ob es gelingt, die Krise auch als Chance zu nutzen, andere, längst überfällige Reformen endlich anzupacken.
So ist in der Vergangenheit immer wieder Kritik laut geworden, weil in der Akademie ausschliesslich Skandinavierinnen und Skandinavier sitzen: Dies habe dazu geführt, dass etwa asiatische oder afrikanische Literaturen bei der Preisvergabe kaum je berücksichtigt wurden. Der Nobelpreis sei ein anachronistisches Überbleibsel europäischen Überlegenheitsdenkens.
Bob Dylan: einer der besten Dichter?
Irritation löst immer wieder auch die Preisvergabe an sich aus. Natürlich kann man sich immer über Qualität streiten. Aber war die verbreitete Kritik nur unberechtigt, als die Akademie etwa Dario Fo oder im letzten Jahr Bob Dylan auf den Schild der besten Dichter der Welt hob?
Der Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Verantwortlichen in Stockholm nicht immer bewusst sind, worum es bei der renommiertesten Literaturauszeichnung der Welt eigentlich gehen sollte – darum, Exzellenz auszuzeichnen. Und nur darum.
Krise als Chance nutzen
Ob der Nobelpreis überlebt, hängt ganz stark davon ab, ob es nun gelingt, die derzeitige Krise auch als Chance zu nutzen – den Preis auf eine neue personelle Basis zu stellen und auf seinen Kernauftrag zu fokussieren. Dann hätte das derzeitige Schlamassel am Ende sogar noch etwas Gutes.
Sendung: SRF 2 Kultur, Rendez-vous, 13.04.2018, 12:30 Uhr