Nein, vom Osterhasen ist nicht die Rede in Eva Menasses neuem Buch «Tiere für Fortgeschrittene». Aber sonst von einer Menge Tiere. Von Schmetterlingen, die Krokodilstränen aufsaugen, von Enten, die noch im Schlaf nach Fressfeinden Ausschau halten, oder von Schafen, die ihre Wolle von selbst verlieren.
Eva Menasse sammelt seit Jahren Tiermeldungen in den Medien, die sie den einzelnen Geschichten ihres neuen Erzählungsbandes voranstellt. Diese Tiermeldungen stehen dann in einer mal eindeutigen, mal eher spielerischen Beziehung zu den Geschichten.
Eine Intelligenzbestie als Haustier
Die in Berlin lebende Österreicherin Eva Menasse, die mit den Romanen «Vienna» und « Quasikristalle » sowie dem Erzählungsband «Lässliche Todsünden» für Furore sorgte, sagt, sie sei eigentlich keine besondere Tierliebhaberin und habe wegen der viele Reisen auch kein eigenes Haustier.
Wenn sie sich aber eines zulegen würde, dann eine Intelligenzbestie, am liebsten irgendeinen «schlauen Vogel». Ein Graupapagei wäre ihr Favorit oder auch eine Krähe.
Alltägliche Momente
Jede der acht Erzählungen (zwei Geschichten sind schon eher Novellen) geht zwar von einer mehr oder weniger kuriosen Tiermeldung aus, handeln aber sonst von der Gattung Mensch.
Meist von kulturnahen Menschen, also Menschen, mit denen Eva Menasse selber täglich konfrontiert ist und deren Verhaltensweisen sie genau kennt und präzis porträtieren kann.
Vordergründig unspektakulär
Ihr gelingen herrlich prägnante Bilder, manchmal auch mit Vergleichen aus dem Tierreich. Etwa, wenn sie von einer Frau erzählt, die «ihr schrilles Kichern so schnell in den Mund zurückgeholt hatte wie ein Frosch seine klebrige Lassozunge».
Vordergründig handeln die Erzählungen von unspektakulär-alltäglichen Momenten: vom Urlaub einer Patchworkfamilie in der Türkei, von einem alten Herrn, der seine demente Frau pflegt, oder von einer Kolonie von auserwählten Künstlern und Wissenschaftlern, die an sich ein Jahr lang paradiesisch frei arbeiten könnten, wären da nicht die anderen Kolonien von Flüchtlingen in unmittelbarer Nähe.
Politik spielt plötzlich wieder eine Rolle
Exzellent gelingt es Eva Menasse, die früher als Gesellschaftsjournalistin gearbeitet hat, Zeitstimmungen einzufangen.
In einer Geschichte beklagt eine Gastgeberin: «In letzter Zeit kann man sich auf überhaupt nichts mehr einigen.» Wegen der Flüchtlinge oder Terroranschläge kommen selbst in harmlosen Tischrunden plötzlich diffuse Ängste und Weltbilder zum Vorschein. Politik spielt plötzlich wieder eine Rolle, überfordert aber alle.
Eva Menasse versteht es meisterhaft, verschiedene Atmosphären gleichzeitig zu erzeugen. Die Geschichten verselbständigen sich im Kopf des Lesers, führen darin ein Eigenleben, und plötzlich sieht man eine zunächst unsympathische Figur in ganz neuem Licht und sie wächst einem ans Herz. Eigentlich wächst einem jede Figur in dem Band ans Herz. Selbst die Haie und Krokodile in Menschengestalt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 52 beste Bücher, 16.04.2017, 11:03 Uhr