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Literatur Michael Krüger: Ein Verleger der «alten Schule»

Der Verleger und Schriftsteller Michael Krüger wird Ende des Jahres den Carl Hanser Verlag verlassen, einen der wichtigsten Verlage im deutschsprachigen Raum. Nach 45 Jahren. Hanser verlegt Autoren wie Herta Müller oder Umberto Eco. Warum? Weil sie die «Rundumbeatmung» schätzen. Und was kommt nun?

Wenn Michael Krüger den Hanser Verlag in der Vilshofener Strasse 10 in München betritt, spürt man das sofort: Schon bevor der Verleger auf dem Weg in sein Büro den grossen Flur im ersten Stock erreicht, arbeiten alle plötzlich noch aufmerksamer, noch hingebungsvoller, noch intensiver.

Zur Autorin:

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Nicola Steiner ist Literatur-Redaktorin bei SRF. Sie verbrachte 2002 ein Jahr als Volontärin im Hanser Verlag. Ausserdem gab sie den Band «Lustig ist das Verlegerleben. Briefe von und an Daniel Keel» heraus, den Verleger des Diogenes Verlags, der 2011 verstarb.

Herr Krüger, den einige wenige noch von früher aus seiner Zeit als Lektor bei Hanser nur «Michel» nennen, ist Verleger, Patron und Vorbild in einem: Er arbeitet unermüdlich und hingebungsvoll für Verlag und Autoren. Über sein Privatleben ist nichts oder nur sehr wenig bekannt. Dass er Fussball liebt beispielsweise.

Wenn ich morgens in den Verlag kam, war er schon lange da. Es hiess, er schreibe in den frühen Morgenstunden seine Bücher, die beim Konkurrenten Suhrkamp verlegt werden. Oft eilte er über den Flur in sein Büro, manchmal wirkte er konzentriert abwesend, dann wieder machte er kleine Scherze, immer charmant, immer geistreich, immer voller Charisma.

«Rundumbeatmung» des Autors als Erfolgsschlüssel

Michael Krüger ist ein Verleger der «alten Schule», im Umgang mit anderen und auch in der Auffassung, was ein Verleger eigentlich ist, was einen guten Verlag ausmacht: «Die Rundumbeatmung des Autors», nennt Krüger den Schlüssel zum Erfolg. All die unabhängigen Verlage, die den grossen Konzernen wie Random House oder der Holtzbrink Gruppe bisher widerstehen konnten, haben sich dieser Maxime verschrieben. Zur Rundumbeatmung gehört eine funktionierende Pressearbeit, das Platzieren des Buches im Buchhandel, Werbemassnahmen – all das, was dem Buch zum Erfolg bei den Lesern verhilft.

Nicht zu vergessen – und das wird immer wichtiger, denn das kommt bei den grossen Häusern oft zu kurz – die Betreuung des Autors selber, die Arbeit an den Texten, aber auch das Bekenntnis zu dessen Werk. Das heisst, man verlegt nicht nur ein Buch, das guten Umsatz verspricht, sondern das ganze Werk.

Generationenwechsel bei den Traditionshäusern

Mit den Grossen kam in den letzten Jahrzehnten die Kommerzialisierung der Verlage, oder besser gesagt; die «Konzernalisierung». Die Grossen schluckten die Kleinen, immer mehr alt eingesessene Verlage wie Luchterhand, Rowohlt, Kiepenheuer & Witsch oder den S. Fischer Verlag verleibten sie sich ein. Übrig blieben ein paar mittelständische Verlage, die sich an zwei Händen aufzählen lassen wie Hanser, Klett-Cotta, C.H. Beck, Suhrkamp, Wagenbach oder auch Diogenes.

Die Gesetze der Ökonomie haben sich in die Verlagswelt eingeschlichen. Hinzu kommt ein Generationenwechsel bei den genannten unabhängigen Traditionshäusern: Michael Zöllner und Tom Kraushaar übernahmen 2007 die Verlagsleitung von Klett-Cotta, 2011 hat der Verlegersohn Philipp Keel die Nachfolge seines Vaters Daniel angetreten, Daniel Kampa ging jüngst zu Hoffmann und Campe, den Berlin Verlag leitet neu der Jurist Georg M. Oswald – und Suhrkamp hadert seit dem Tod Siegfried Unselds im Jahr 2002 mit der verlegerischen Nachfolgeregelung.

Buchhinweis:

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Michael Krüger: «Umstellung der Zeit. Gedichte». Suhrkamp Verlag, Berlin 2013

Jeder Autor sein eigener Lektor

Ausgerechnet Jo Lendle, der ab 2014 Krügers Nachfolge als Verleger des Hanser Verlages übernehmen soll, meldete sich kürzlich mit einer durchaus provokanten These zu Wort: «Der Verlag von morgen wird ein Verlag sein, den es bereits gibt: Der Selbstverlag. (…) In dieser Welt ist jeder Autor sein eigener Lektor, Setzer, Gestalter, Booker, Marketingchef, womöglich sogar sein eigener Rezensent.»

Jo Lendle und seine Mitstreiter werden als Verleger dieser Diagnose etwas entgegensetzen müssen: nicht überflüssig zu werden, sondern durch Zuwendung, Zuspruch, Unterstützung dem Autor die «Rundumbeatmung» zu bieten, nach der sich Autoren auch noch in diesen durchökonomisierten Zeiten sehnen.

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