Es ist eine enge, ja, für manche beengende Welt, von der Andreas Neeser im Dialekt des Aargauer Ruedertals erzählt. In seiner dritten Mundartpublikation «Nüüt und anders Züüg» geht es um die Zeit seiner Kindheit in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Starke Persönlichkeiten
Neesers Kurzgeschichten handeln von den kleinen und grossen Problemen der einfachen Leute: eine Krankheit der Mutter, die alltägliche Monotonie oder ein uneheliches Kind. Ein zentrales Thema ist die soziale Kontrolle in der kleinräumigen Dorfgemeinschaft: Was werden wohl die anderen denken?
Auch wenn es zum Teil um schlimme Schicksale geht: Die Geschichten in «Nüüt und anders Züüg» lassen die Leserin mit einem positiven Gefühl zurück. Neesers Protagonisten sind starke Persönlichkeiten, die sich gegen die Widerstände zur Wehr setzen.
Da ist zum Beispiel Rüedu, der von einem Mitschüler geplagt wird, nur weil er aus dem Tal kommt und den «falschen» Dialekt spricht. Eines Tages hält er seinem Peiniger vor versammelter Klasse eine Standpauke über die Hügel, wo er herkommt:
I de Höger cha me wachse. I de Höger wird me gross. Me macht e grade Rügge, streckt de Chopf und irgendeinisch gseht me drüberuus. Emel, wenn me wott.
Erfundene wahre Geschichten
Andreas Neeser erzählt zwar Geschichten aus seiner Kindheit. Aber den Autor mit dem schlagfertigen Schüler Rüedu zu identifizieren wäre falsch. Diesen Schüler hat es so nie gegeben. Die Geschichten seien erfunden, sagt Neeser, aber sie hätten genau so geschehen können. Wenn die Leute nach der Lektüre sagten, «Ja, genau so war es damals», dann habe er sein Ziel erreicht. Neesers Kurzgeschichten sind nicht real, aber realistisch.
Die meisten seiner Texte verfasst Neeser auf Hochdeutsch. Das Schreiben im Dialekt ist für ihn fest mit der Vergangenheit verbunden. Er könne in Mundart ausschliesslich über die Welt seiner Kindheit schreiben. «Humus-Geschichten» seien das.
Knappe Sprache
Auch die Sprache selbst scheint aus der Vergangenheit zu kommen: Die Texte sind voll von alten Ausdrücken wie «es Niiffi» (Grimasse) oder «gnöugge» (foppen) – zum Glück gibt es im Anhang ein Glossar. Es ist eine alte und auch eine knappe Sprache, in der Andreas Neeser seine Geschichten von früher erzählt. Diese Sprache konzentriert sich auf das Wesentliche, kaum ein Wort ist zu viel.
«Nüüt und anders Züüg» erzählt von einer Welt, die heute so kaum mehr existiert. Aber wir wissen, dass es sie einmal gegeben hat, haben sie vielleicht selbst noch erlebt. Andreas Neeser ist ein authentisches Gesellschaftsbild gelungen, das Erinnerungen hervorruft.
Sendung: Radio SRF 1, Schnabelweid, 02.03.2017, 21:03 Uhr