Die Berner Schriftstellerin Stef Stauffer blickt in ihrem ersten Mundartroman «Hingerhang» zurück in die späten 70er-Jahre. In die Zeit, als sie selber ein Teenager war.
«Hingerhang» ist kein Schlüsselroman für das Leben der Autorin. Aber dass sie die Stimmung dieser Zeit ganz detailliert nachzeichnen kann, macht den Erlebnisbericht einer namenlosen Erzählerin authentisch und extrem witzig.
Die Pubertät sei aber auch «e soublöds Auter», meint diese. Und ist sich nicht sicher, ob sie selber in diesem saublöden Alter steckt, oder nicht doch die anstrengenden Freundinnen oder der ältere Bruder.
Zuhause fühlt sich die Erzählerin im Pferdestall. Dort dürfe man wohltuend direkt sprechen, ohne dass ein Lehrer oder der Vater deswegen nörgelt.
Bockige Pferde sind «huere Sieche», die tun, als würden sie «schier verrecke», bloss weil man ihnen den Gurt um den «Ranzen» schnallen will. Der Rossstall und die Leute dort sind ihre Gegenwelt zum braven Elternhaus.
Auch mal tricksen
Aber es geht dort längst nicht alles «ringer» als zuhause. Als Mädchen und Neuling muss sie zuerst ganz unten durch. Lange wird sie zwischen Minderwertigkeitskomplexen und trotzigem Widerstand herumgeschleudert, verdaut Niederlagen und Erniedrigungen, bis sie sich etwas Respekt erarbeitet hat.
Dabei lernt sie, die Mechanismen der Gesellschaft selber anzuwenden – das heisst, auch mal zu tricksen oder Druckmittel einzusetzen.
Sprache ist Macht
Die Protagonistin arbeitet sich buchstäblich an der Erwachsenensprache ab. In jedem der 26 Kapitel nimmt sie sich eine der Redewendungen vor, die sie immer wieder zu hören bekommt.
«Lieber nüt mache, weder e Fähler» oder «Hingerdrii isch me ging gschyder». Sie lässt diese formelhaften Lebensweisheiten an ihrer eigenen Realität gnadenlos auflaufen.
Ausserdem merkt sie, dass sich Redewendungen oft widersprechen und dass es nur darauf ankommt, sie im richtigen Moment einzusetzen. Aber gelegentlich stimmt so ein Spruch tatsächlich. Und gelegentlich muss sie den Andern nachträglich recht geben. Je besser man das könne, schreibt die Autorin, «desto mehr ist man aus diesem saublöden Alter raus». So geht Erwachsenwerden.
«Füdle ha»
Ehrlich, unaufgeregt und ohne erhobenen Zeigefinger schildert Stef Stauffer die Entwicklung vom Mauerblümchen-Dasein der Aussenseiterin zu einer selbstbewussten jungen Frau. Das war damals für sie deutlich harziger als heute, sagt die Autorin im Gespräch: «Modis si aapasster, die hei nid usezhöische, dasch ou ke Qualität bimene Meitli, ihre Wäg z sueche oder nei z säge».
Am Ende entscheidet sich ihre Erzählerin für ihre eigenen Interessen. Anstatt mit der Familie in die Toscana, fährt sie mit «Bützu», einem Vertrauten vom Rossstall, an ein Pferderennen. Ihr Handeln nennt sie «Füdle ha», Mut zeigen. Und es kommt tatsächlich gut für sie.