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Literatur Neue Leser, neue Formen – Visionen für die Literatur im Web

Mitte September hat der Verein Fiktion in Berlin eine Deklaration präsentiert, die Autorinnen und Autoren wie Jan Peter Bremer, Katharina Hacker oder Elfriede Jelinek unterzeichnet haben. Sie machen sich Gedanken über die Zukunft von Literatur im Netz. Mit einem überraschenden Ergebnis.

Die Ausgangssituation ist klar: Nie zuvor wurde so viel geschrieben und gelesen wie im Zeitalter der digitalen Kommunikation. Sogar das Telefon wird inzwischen hauptsächlich zum Verschicken von SMS genutzt. Bei so viel Aufmerksamkeit dem geschriebenen Wort gegenüber «geraten die besondere Konzentration erfordernden literarischen Texte ins Hintertreffen», hält die Deklaration «Zur digitalen Zukunft unserer Literatur» fest, die Mitte September in Berlin präsentiert wurde. Mit unterzeichnet haben sie hochrangige Autorinnen und Autoren wie Jan Peter Bremer, Elfriede Jelinek oder Katharina Hacker.

Porträtaufnahme von Katharina Hacker.
Legende: Die Autorin Katharina Hacker experimentiert bereits mit neuen Gestaltungsmöglichkeiten. Keystone

Ein neues Experimentierfeld

Mit dieser Deklaration reagieren die Autorinnen und Autoren auf den Appell «Wir sind die Urheber! Gegen den Diebstahl geistigen Eigentums», der im Frühsommer letzten Jahres die Feuilletons beschäftigt hat. Darin gaben 1500 Autorinnen und Autoren ihrer Sorge Ausdruck, dass im Netz immer mehr Texte gratis und ohne Hinweis auf den Urheber angeboten würden.

«Das Netz nimmt uns nicht die Leser», sagt dazu die Schriftstellerin Katharina Hacker, die 2006 für ihren Roman «Die Habenichtse» den Deutschen Buchpreis erhalten hat, «sondern wir Autorinnen und Autoren müssen versuchen, im Netz neue Leser anzusprechen.» Das führe nicht nur zu neuen Vertriebsmöglichkeiten der eigenen Texte, sondern auch zu mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Bereits in ihrem Roman «Alix, Anton und die anderen» (2009) hat Katharina Hacker damit experimentiert, indem sie zwei Handlungsstränge in zwei Spalten parallel erzählt hat. Online könnte somit ein Experimentierfeld für die Literatur werden.

Den Fokus wieder auf die Literatur lenken

«Warum nicht zuerst einen literarischen Text digital publizieren und anschliessend bei seinem angestammten Publikumsverlag? Wir starten ein Modellprojekt: eine internationale Online-Verlagsplattform, auf der im ersten Programm zehn Romane im Original erscheinen werden», sagt Mathias Gatza, Mitbegründer des Vereins Fiktion.

Und nicht nur das, auch der E-Reader steht auf dem Prüfstand. «Die gängigen E-Book-Formate imitieren das gedruckte Buch. (…) Es fehlt ein digitales Leseformat, das die technischen Möglichkeiten nutzt, um die Konzentration auf unsere Literatur zu erleichtern», ist in der Deklaration Fiktion zu lesen. «Das bedeutet schlicht, dass wir gemeinsam mit einer deutschen Universität einen E-Reader entwickeln werden, der den Fokus wieder auf die Literatur lenkt», erklärt Gatza.

Nur bedingt ein neues Phänomen

Audio
Gespräch zur digitalen Zukunft mit Mathias Gatza (geführt von Nicola Steiner
06:32 min
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 32 Sekunden.

Ein Online-Verlag für literarische Texte, das ist revolutionär und wird vielen aus der Verlagsbranche nicht gefallen, schliesslich gilt Papier immer noch als das einzig angemessene Trägermedium für Literatur. «Ach, das ist doch keine Konkurrenz», wendet Mathias Gatza ein. «Wir sehen die Publikumsverlage als unsere Partner. Das hat es immer schon gegeben, dass Autoren ihre Texte vorab preiswert den Lesern zugänglich gemacht haben. Denken Sie nur an ‹Götz von Berlichingen› von Goethe, der ist zuerst in den literarischen Salons bekannt geworden. Bevor nur eine Zeile von Goethe gedruckt war, war er in Deutschland ein berühmter Autor.»

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