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Neuer Roman «Betrug» Zadie Smith spielt mit Wahrheit und Lüge

Hochstapelei, heimliche Affären und Kolonialismus: Die Bestsellerautorin Zadie Smith legt mit «Betrug» den Finger in die Wunde. Parallelen zu Donald Trumps Zeit als Präsident der USA sind erkennbar.

Betrogen wird in diesem Buch nach Strich und Faden: von klassischem Betrug in Liebesdingen über Selbstbetrug bis hin zu Hochstapelei. Im Zentrum steht dabei Eliza Touchet, die Haushälterin des Schriftstellers William Ainsworth, den es wirklich gegeben hat. Er lebte im England des 19. Jahrhunderts, war also Zeitgenosse des weitaus berühmteren Charles Dickens – der auch im Buch vorkommt.

Das Leben des Schriftstellers Ainsworth bildet die Rahmengeschichte, erzählt aus der Perspektive von Eliza. Sie kümmert sich um seinen Haushalt und schmeisst die literarischen Salons, die der Schriftsteller regelmässig unterhielt. Und nicht nur das: Eliza korrigiert auch Williams Manuskripte. Dabei behält sie für sich, wie wenig Talent er hat.

Kleine und grosse Betrugsgeschichten

Eliza ist nicht nur seine heimliche Lektorin, sie ist auch seine geheime Geliebte. Und: Auch mit Williams Frau führt Eliza eine Liebesbeziehung. Die Eheleute wissen nichts von den Affären der anderen Person.

Portrait eines bärtigen Mannes
Legende: Das Leben des zweitklassigen Schriftstellers William Ainsworths bildete die Basis für Zadie Smiths Roman. Wikimedia/Public Domain

Zuletzt verheimlicht Eliza William, wie oft sie nach London fährt, um einem der berühmtesten Gerichtsprozesse Englands beizuwohnen.

Der «Tichborne-Fall»

Auch diesen absurden Gerichtsfall gab es wirklich:  Ein Sohn der Adelsfamilie Tichborne verschwindet Mitte des 19. Jahrhunderts auf See nach Jamaika. Er wird für tot erklärt – und kehrt angeblich zehn Jahre später nach London zurück.

Drei Portraits: Links Roger Tichborne, rechts «the Claimant», in der Mitte eine Mischung der beiden Bilder.
Legende: Diese Fotos sollten zeigen, dass Tichborne (links, 1853) und der angebliche Erbe (rechts, 1874) dieselbe Person sind. Wikimedia/William Mathews (1876)

Allerdings sieht er ganz anders aus und erinnert sich nicht an seine Kindheit. Es handelt sich offensichtlich um einen Hochstapler – doch die Massen sind auf seiner Seite. Der Prozess wird zum symbolischen Kampf von Arm gegen Reich.

Der Fall ist eng mit der Kolonialgeschichte Englands verwoben und dadurch mit der Geschichte versklavter Menschen auf Zuckerrohrplantagen in Jamaika. Diese wird vom Hauptzeugen des Prozesses erzählt: dem ehemals versklavten Bediensteten Henry Bogle, der lange für die Familie Tichborne gearbeitet hat.

Ein grosser Gesellschaftsroman

Smith hat für ihr Buch «Betrug» die Form des grossen Gesellschaftsromans des 19. Jahrhunderts gewählt wie seinerzeit Dickens und Ainsworth. Typisch war, dass die Bücher als Fortsetzungsromane in Zeitungen publiziert wurden. Deswegen ist «Betrug» in kurzen Unterkapiteln verfasst.

Ein Gemälde eines historischen Gerichtsaal, gefüllt mit vielen Menschen.
Legende: Das Gemälde «The Tichborn Trial» von Frederick Sargent (1837–1899) zeigt den Gerichtssaal: Der angebliche Tichborn-Erbe sitzt in der Mitte (Blick nach links, mit Bart). Neben ihm der Zeuge Henry George Bogle. Wikimedia/BBC Your Paintings

Das Buch ist komplex und dicht. Thematisch, aber auch der vielen Geschichten, Personen und Verwandtschaften wegen. Dennoch: «Betrug» ist genial komponiert und erzählt. Ausserdem beweist Zadie Smith einen feinen Sinn für Komik. Etwa dann, wenn die kluge Eliza Touchet das Geplänkel der Schriftsteller wiedergibt.

Fake News damals und heute

Den roten Faden des Romans bilden die grossen Fragen danach, was wahr ist und wessen Wahrheit wir glauben. Der Roman zeigt die Rolle der Medien und der Öffentlichkeit in diesen Fragen deutlich auf.  

Buchhinweis

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Zadie Smith: «Betrug». Kiepenheuer und Witsch, 2023.

Für den vermeintlichen Adeligen etwa werden rund um den Gerichtsprozess Demonstrationen organisiert und Geldspenden getätigt. Das lässt einen unweigerlich an Donald Trump denken.

Die Kernbotschaft von «Betrug» formuliert Eliza Touchet im Buch: «Menschen glauben an die Wahrheit, die sie selbst am nötigsten haben.»

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