Auch mit seinem neuen Buch trifft Simsion den Geschmack seiner Fans. Seine ersten beiden Bücher – «Das Rosie Projekt» und «Der Rosie Effekt» – standen wochenlang auf der Bestsellerliste. Sie erzählen vom Genetiker Don, der auf wissenschaftlich exakte Weise die ideale Frau finden will.
«Liebst du die Gefahr?»
Auch jetzt, in Simsions neuestem Roman «Der Mann, der zu träumen wagte», geht es um einen Mann auf der Suche. Adam Sharp, Ende vierzig, lebt seit zwanzig Jahren in einer soliden Beziehung.
Über sich und seine Partnerin Claire sagt er: «Wir waren ein funktionierender Haushalt. Wir stritten nicht, wir freuten uns auf gemeinsame Mahlzeiten an den Wochenenden, wir kümmerten uns umeinander. Gute Freunde. Über solche Beziehungen werden keine Songs geschrieben, aber sie haben ihr Gutes.»
Dieses beschauliche Leben wird jäh unterbrochen, als sich Adams grosse Jugendliebe meldet. Eines Tages landen in seinem Postfach zwei kurze Mails: «Hi.» Und: «Liebst du die Gefahr?»
Adam lässt sich auf eine virtuelle Affäre ein – und steht bald vor der zentralen Frage: ein bisschen gefährlicher Spass oder eine zwanzigjährige Beziehung?
«Ich muss mich neu sortieren»
Die verworrene Situation zwingt Adam, sein bisheriges Leben zu analysieren und sich zu fragen, ob es ihn wirklich glücklich macht. Und was er aufgibt, wenn er sich für seine grosse verlorene Jugendliebe entscheidet.
In seiner typisch klaren und schnörkellosen Sprache erzählt Graeme Simsion eine Geschichte, mit der sich wohl viele Menschen – nicht nur Männer – in der Mitte des Lebens identifizieren können. Adam stellt einmal sehr treffend fest: «Ich muss mich neu sortieren.»
Soundtrack zum Roman
Poetische Bilder oder Ausdrücke gibt es im Roman keine. Aber jede Menge Musik.
Die Hauptfigur Adam, der zugleich der Erzähler ist, bezieht sich im Lauf der Geschichte immer wieder auf Lieder, die die Geschehnisse im Buch begleiten und illustrieren. Am Ende des Romans findet sich eine Playlist, deren Palette weit reicht: von Bob Dylan über die Beatles bis zu Elton John und Adele.
Graeme Simsions neuer Roman ist unterhaltsam, liest sich einfach, trifft den Nerv vieler Menschen, hat Bestsellerpotential. Adam ist vielleicht nicht so witzig wie Don in den «Rosie»-Romanen. Aber er regt an zum Nachdenken.
Und bringt es auf den Punkt: «Nicht sie [seine Jugendliebe] war es, auf die sich meine Wünsche und Träume konzentrierten, sondern das, wofür sie stand. Mit neunundvierzig strebte ich danach, den Teil von mir zu leben, der augenblicklich nur in Liedern existierte.» Wer träumt nicht davon?
Sendung: Radio SRF 1, Buchzeichen, 5.3.2017, 14.06 Uhr.