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Neuer Roman von Miranda July «Auf allen vieren»: Sexuelles Begehren in den Wechseljahren

Die US-amerikanische Filmemacherin, Performance-Künstlerin und Schriftstellerin Miranda July legt einen neuen Roman vor – und überrascht mit schonungsloser Ehrlichkeit und eigenwilligem Humor.

Man mag denken: Schon wieder ein Buch über Menopause? Über Midlife-Crisis und Ehekrise, über sexuelles Begehren? Ja, diese Themen bringt Miranda July in ihr Buch ein, aber mit solcher Leichtigkeit und Skurrilität, dass man eine ganz neue Sicht auf älter werdende Frauen erhält.

Eine Frau mit rosa Tuch um die Haare und Kopfhörern auf den Ohren in Denkerpose.
Legende: Mit «Auf allen vieren» gelingt Miranda July ein intimer Roman über die zweite Pubertät von Frauen im mittleren Alter. IMAGO / Cinema Publishers Collection

Raus aus dem Alltag – rein in die Affäre

Die namenlose Ich-Erzählerin in Miranda Julys neuem Roman braucht eine Pause. Die Protagonistin – Mutter, Ehefrau, Tochter gebrechlicher Eltern und Künstlerin – begibt sich allein auf einen Roadtrip von Los Angeles nach New York.

Doch die Reise endet bereits nach 30 Minuten, in einem Vorort von Los Angeles. Dort lernt die 45-Jährige den jungen Davey kennen und stürzt sich Hals über Kopf in eine Affäre. Eine Affäre ohne Sex, aber mit wilden erotischen Fantasien.

Die Ich-Erzählerin, die sich mit den Veränderungen ihres Körpers und ihren beengenden Lebensumständen auseinandersetzt, findet in Davey eine neue Art von Lust und Leidenschaft – die sie später auch mit Frauen auslebt.

Roman über Ängste und Tabuthemen

«Auf allen vieren» ist intim und explizit. Die Ich-Erzählerin beschreibt, was die Perimenopause mit ihrer Psyche und ihrem Körper macht. Sie fürchtet sich vor diesem Übergang von der jungen zur reiferen Frau. Zudem fühlt sie sich trotz aller Liebe zu ihrem Kind im klassischen Familienmodell als Mutter und Ehefrau gefangen.

Sie überdenkt ihre monogame Ehe, hat Angst vor dem Tod ihrer Eltern und sorgt sich um ihre demente Mutter. Sie macht sich Gedanken um ihre Grossmutter und Tante, die sich beide das Leben genommen haben.

Der Schriftstellerin gelingt es, all diese ernsten Themen mit Humor und Leichtigkeit zu behandeln. «Auf allen vieren» ist ein Buch, das sich wie das Tagebuch einer Freundin liest. Es ist ein Roman, in dem es nicht nur um Ängste geht, sondern auch um Tabuthemen.

Neben weiblichem Begehren und Östrogenabfall handelt dieser Roman auch von einer traumatischen Geburt und plötzlichen Panikattacken.

Eine Frau mit Sonnenbrille neben einem Mann hinter einer Filmkamera.
Legende: Jongliert auch im echten Leben mit diversen Themen: Vielfach-Künstlerin Miranda July als Regisseurin am Set von «Kajillionaire» (2020). IMAGO / Cinema Publishers Collection

Roadtrip zum neuen Ich

Der erste Teil des Romans spielt ausschliesslich in Monrovia, diesem Vorort von Los Angeles, wo die Ich-Erzählerin gestrandet ist. Dort lässt sie sich ihr schäbiges Motelzimmer komplett neu einrichten und bleibt drei Wochen dort, statt nach New York zu fahren.

In diesem schicken Raum taucht sie in ihre Gedankenwelt ab und lässt die Leserschaft daran teilhaben: an der Perspektive einer Frau auf der Schwelle zwischen jung und reif.

Miranda July selbst nennt den Roman einen Coming-of-Age-Roman über eine Frau in den Wechseljahren und trifft damit die Beschreibung für diese zweite Pubertät von Frauen im mittleren Alter. Ein lesenswerter Roman, der äusserst privat wirkt – und viele angeht.

Buchhinweis

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Miranda July: «Auf allen vieren». Kiepenheuer & Witsch, 2024.

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