«Manhattan Beach» erzählt die fiktive Geschichte der jungen Anna, die im New York der 1930er- und 1940er-Jahre aufwächst. Ihr grösster Wunsch: Sie will Taucherin werden und im Hafen New Yorks Kriegsschiffe reparieren. Allen gesellschaftlichen Widerständen zum Trotz schafft sie es.
«Manhattan Beach» ist ein sinnlicher, spannender und detailgetreuer Roman. Jennifer Egan zeigt Anna als emanzipierte Frau, die sich gegen Männer durchsetzen und ihre Sexualität ausleben kann.
Unglaublich unbequem
Ausserdem hat der Roman alles, was eine gute Abenteuergeschichte ausmacht: Schiffbruch, Mord, Überlebenskampf auf dem Meer. Man merkt: Jennifer Egan hat für diesen Roman lange und akribisch recherchiert.
Fünf Jahre lang hat sie Leute interviewt, die das New York der 1930er- und 1940er-Jahre kennen, sich in historische Berichte gestürzt und durch maritime Fachbücher gewälzt. Sogar einen Taucheranzug hat sie anprobiert, 100 kg schwer.
Faszinierend sei das gewesen, sagt sie im persönlichen Gespräch, und unglaublich unbequem. Egans intensive Recherche zahlt sich aus. Bei der Lektüre spürt man die 18 Kilogramm schweren Schuhe fast an den eigenen Füssen.
Man taucht ein in ein historisches New York, auch dank Jennifer Egans präzisen Schilderungen sozialer Zustände, stets durchsetzt von poetischen, liebevollen Beschreibungen ihrer Figuren.
Aktuelle Analyse
Aber Jennifer Egan hat nicht nur einen spannenden, historischen Roman geschrieben. Sie setzt sich darin auch mit hochaktuellen Aspekten der US-amerikanischen Gesellschaft auseinander.
Zum Beispiel mit der #MeToo-Bewegung. Bei der Recherche zu «Manhattan Beach» sei sie auf Berichte gestossen, die erzählen, dass Frauen auf Kriegsschiffen nicht zugelassen waren.
Man befürchtete, dass Männer sich auf engem Raum nicht würden beherrschen können. Egan fand das lächerlich. Kurze Zeit später wurden die ersten #MeToo-Fälle bekannt.
Von Gewalt geprägt
Die Autorin legt Wert darauf, dass sie bei jedem ihrer Bücher selbst etwas Neues erkennt. «Manhattan Beach» spielt teilweise in einem kriminellen Milieu. In diesem Zusammenhang, erzählt sie, wurde ihr bewusst, wie sehr die US-amerikanische Gesellschaft heute noch von Gewalt geprägt sei.
Vor allem auch durch den amtierenden US-Präsidenten, sei man wieder auf ein sehr einfaches Rezept gekommen: «Power through Fear», Macht durch Angst. In eindimensionaler Sprache wird den Menschen mitgeteilt, was zu tun ist, beziehungsweise worauf man sich gefasst machen muss, wenn man nicht pariert.
Sie habe geglaubt, diese Art von Macht gehöre in den USA der Vergangenheit an, erzählt Egan. Aber sie wurde eines besseren belehrt.