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Roman über Österreich Auf dem Land gedeiht Rassismus

«Vom Land» ist ein Roman über die vermeintliche Idylle des Landlebens, in Österreich und anderswo.

«Er hasste das kalte Land. Am meisten hasste er die Leute, die hier lebten und die keine Seele in sich trugen. Sie hielten sich nicht nur Hunde. Sie waren selbst wie Hunde.»

Derjenige, der so denkt, ist Toti, ein Jugendlicher aus Syrien. Er ist aus dem Bürgerkrieg nach Pielitz geflüchtet. In diesem fiktiven Dorf in der Gegend von Linz spielt der eindrucksvolle Debütroman «Vom Land» des österreichischen Autors Dominik Barta.

Abgründe hinter der Fassade

Das schmale Buch zeichnet literarisch gekonnt auf, wie trügerisch die vermeintliche Idylle des Landlebens sein kann – in Österreich und anderswo. Hinter der schmucken Kulisse verdorren die Seelen der Menschen. Es gibt keine menschliche Wärme.

Eine anti-liberale «Bewegung», die Hitler verharmlost, Linke als «Weicheier» stigmatisiert, stellt Ausländerinnen und Ausländer kollektiv unter Terrorismus-Verdacht. Im Visier der Rassisten ist eine Gruppe von Menschen, die aus Syrien geflüchtet sind und in Pielitz Aufnahme gefunden haben. Diese Geflüchteten entwickeln ihrerseits Hass auf die Einheimischen. So wie Toti.

Verlust der Sprache

Dominik Bartas Roman entwickelt die Darstellung der zutiefst herzlosen Gesellschaft an der Figur einer Pielitzer Bäuerin, die um die 60 Jahre alt ist. Die bislang kerngesunde und arbeitsame Frau wird eines Tages plötzlich krank. Sie isst kaum noch, liegt nur noch herum und spricht kein Wort mehr.

Ihr Ehemann ist von der Situation völlig überfordert. Ebenso die erwachsenen Kinder, die – in Sorge um die Mutter – auf den elterlichen Hof zurückkehren.

Mit viel Feinsinn entwickelt der Roman zunächst eine literarische Sozialstudie der Familie: Dabei zeigt sich, dass im Grunde nicht nur Theresa die Sprache verloren hat, sondern auch alle anderen Mitglieder der Familie: Sie haben sich schon lange nichts mehr zu sagen.

Die Gräben zwischen Theresa und ihrem Mann sind ebenso tief wie diejenigen zwischen den drei erwachsenen Kindern: dem homosexuellen Lehrer, dem von rassistischem Hass getriebenen Gewerbetreibenden und der Hausfrau, die von ihrem Ehemann auf die billigste Tour betrogen wird.

Leiden an Österreich

Dominik Barta ist ein Bewunderer des 1989 verstorbenen österreichischen Autors Thomas Bernhard, der sich in seinem literarischen Werk immer wieder kritisch mit Österreich und seiner Politik auseinandergesetzt hat.

In Fortsetzung dieser Tradition stellt «Vom Land» auch eine Bestandsaufnahme der Befindlichkeit im heutigen Österreich dar, wo etwa der amtierende Kanzler Sebastian Kurz seine Popularität im Volk zu einem guten Teil seiner harten Migrationspolitik verdankt.

Oder wo ruchbar geworden ist, dass es in den Liederbüchern einer österreichischen Studentenverbindung zutiefst antisemitische Texte gibt. Oder wo während der Ibiza-Affäre prominente Exponenten der rechtspopulistischen FPÖ unverhüllt ihre Bereitschaft zur Korruption zeigten, dadurch den Rechtsstaat verhöhnten. Und sprachlos machten.

Die brutale Kälte überwinden

Dominik Bartas Roman bringt keine abschliessenden Erklärungen. Aber er zeigt auf, dass Intoleranz und antiliberale Politik auch in der kleinräumigen Enge des Landes wurzeln.

Das Buch setzt aber auch Zeichen der Hoffnung: Ein einheimischer Jugendlicher befreundet sich mit dem jungen Toti und überwindet dadurch die brutale Kälte der Umgebung, in der er aufwächst.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 52 Beste Bücher, 9.2.2020, 11.00 Uhr

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