«Er reiste unermüdlich herum und erwies sich bald als ein ungestümer Redner mit sicherem Instinkt, für das, was der einfache Mann aus dem Volk zu hören liebte. Er war ein herzhafter Händeschüttler. Er war überzeugt davon, dass eines Tages Amerika in enge Wirtschaftsbeziehungen mit Russland treten würde.»
Wenn man diese Zeilen liest, kann man nur erstaunt den Kopf schütteln. So beschreibt Sinclair Lewis in seinem Roman von 1935 «Das ist bei uns nicht möglich» den amerikanischen Präsidenten Buzz Windrip. Er könnte aber genauso gut Donald Trump heissen.
Wie die Demokratie zerstört wird
Lewis erzählt in «Das ist bei uns nicht möglich» vom Journalisten Jessup. Der arbeitet bei einer kleinen, ländlichen Zeitung und beobachtet den Aufstieg Windrips vom Senator zum amerikanischen Präsidenten.
Er beobachtet, wie Windrip im Präsidentschaftswahlkampf den Favoriten Roosevelt schlägt und völlig überraschend gewählt wird. Er beobachtet, wie Windrip, kaum im Weissen Haus, eigenmächtig regiert.
Als erstes entmachtet der neue Präsident den Kongress. Jessup muss hilflos zusehen, wie die Demokratie von Windrips Machenschaften beeinträchtigt und schliesslich zerstört wird.
Er liebt das Bad in der Menge
Die Parallelen zu der heutigen Situation in den USA liegen weniger in der Handlung als in der Ähnlichkeit zum Präsidenten. Nicht nur, wie oben beschrieben, in den äusseren Eigenschaften, sondern auch im Verhalten.
Windrip will seinen Anhängern – vorwiegend Weisse – zu Wohlstand und Ansehen verhelfen. Auch Windrip badet gern in der Menge und sagt, die Presse verbreite vor allem Lügen.
Er regiert, ohne sich gross darum zu scheren, was um ihn herum geschieht. Nach seinen Reden weiss er oft selbst nicht, ob er nun für oder gegen etwas ist.
Anlass war Hitler
Man fragt sich, wie Lewis so weit vorausblicken konnte. Natürlich war der Anlass für seinen Roman ein ganz anderer. 1935 war Hitler an der Macht, und Lewis befürchtete, dass so etwas auch in den USA geschehen könnte.
Der Titel «Das ist bei uns nicht möglich» bezieht sich also auf den Faschismus. Ganz am Anfang des Romans sagt das jemand – und wird dann eines Besseren belehrt.
Scharf beobachtet
Trotz seiner erstaunlichen Aktualität kann man «Das ist bei uns nicht möglich» nur bedingt zur Lektüre empfehlen. Die literarische Qualität ist nicht überragend, die Sprache antiquiert und stellenweise sehr schwülstig.
Was diesen Roman auszeichnet, sind die Figurenporträts – zum Teil sehr witzig oder gar zynisch – und die scharfe Beobachtung der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse.
Keine literarische, aber politische Lektüre
In seinem Nachwort zum Roman bringt es der Schriftsteller Jan Brandt auf den Punkt. Er sagt: «Das Thema des Buches ist weniger Machtmissbrauch als vielmehr die Krise des Liberalismus, die Hilflosigkeit des Bürgertums angesichts einer immer aggressiver auftretenden allgemeinen Idiotie der Massen.»
«Das ist bei uns nicht möglich» ist ein Plädyoer für fundierten, seriösen Journalismus und dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger informieren, statt sich von ein paar salbungsvollen Worten einlullen zu lassen. Also weniger literarische, als vielmehr politische Lektüre.
Sendung: Radio SRF 1, 21. März 2017, 8.50 Uhr