Er kann und will es nicht lassen. Bereits seine «Quifezit-Trilogie», die er Anfang zwanzig veröffentlichte, handelte dem Bündner Satiriker Gion Mathias Cavelty den Ruf eines Enfant terrible der Schweizer Literatur ein. Darin machten sich der Erzähler und ein kettenrauchender Pudel auf die Suche nach dem «Buch der Bücher».
Nun legt Cavelty mit «Innozenz» einen Roman vor, der seine früheren Werke an Aberwitz noch übertrifft: einen schwarzhumorigen Bericht über das Ende der Welt.
Auf der Suche nach dem ersten Menschen
Auch in dieser Geschichte spielen Bücher eine grosse Rolle. Erzählt wird sie nämlich von niemand anderem als dem Buch selbst. Das ist so unbefleckt, dass kein einziges Wort in ihm steht. Stattdessen liest es in den Gedanken seiner Leserinnen und Leser.
Unbefleckt ist auch der Mönch Innozenz, mit dem das Buch sich anfreundet. Der Inquisitor erhält vom Papst einen heiklen Auftrag: Als Käferforscher getarnt, soll er in Schwamendingen den Schädel des ersten Menschen aufspüren.
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Tod und Teufel in Schwamendingen
Das Zürcher Aussenquartier, in dem Cavelty selbst lebt, entpuppt sich als Hort des Bösen, in dem Schwarzmagier und Menschenfresser wüten. Bald schon macht das fromme Duo Bekanntschaft mit einer diabolischen Sekte.
Deren Ziel: die Schöpfung – und damit auch die Sprache – ungeschehen zu machen. Ausgerechnet Innozenz soll dabei zum «Bringer des Nichts» mutieren. Dafür haben sich die Finsterlinge mit einem ganz besonderen Buch bewaffnet, das dem Betrachter die gesamte Schöpfung zeigt. Das ist selbst für den Gottesmann eine Versuchung.
Ein Buch wie ein Heavy-Metal-Album
Mit «Innozenz» stellt Cavelty einmal mehr die Weltordnung auf den Kopf. Die Bilder, die er entwirft, sind so überdreht, dass sie einem Heavy-Metal-Album entstammen könnten: Da gleichen sich zwei Brüder «wie eine Eiterbeule der anderen» und gigantische Schrumpfköpfe rollen wie Kegelkugeln herum.
Versiert parodiert der Roman die verschiedensten Genres. Von der Heiligenlegende über den historischen Roman bis zur Gruselgeschichte bleibt nichts verschont.
Unsinn mit Tiefgang
«Innozenz» ist so süffig geschrieben, dass man es an einem Sonntagnachmittag verschlingen möchte. Hinter dem vorgeblichen Unsinn verbirgt sich eine Fülle von Anspielungen, von Umberto Eco über die Theologie bis hin zur Astrologie und dem Okkulten.
Die Auffassung der Schwamendinger Sekte etwa, die Schöpfung sei ein Irrtum, verbindet sie mit den antiken Gnostikern, die den Schriftsteller schon in seinem letzten Buch beschäftigten.
Hassliebe zur Literatur
Der Roman ist deshalb auch als kluge Reflexion über die Möglichkeiten von Sprache und Literatur zu werten. Nicht umsonst beginnt es mit den Sätzen «Im Anfang war das Wort. Doch das Wort war eine Lüge.»
Immer wieder macht sich der Schriftsteller über die Literatur lustig – und damit auch über sich selbst. Zwischen den Zeilen schimmert zugleich eine grosse Liebe für das gedruckte Wort durch.
«Innozenz» ist ein Feuerwerk der Fabulierlust, mit dem Cavelty einmal mehr beweist, dass er einer der originellsten Autoren der Schweiz ist.