Ein Ü50-Sozialhilfeempfänger, der von sich sagt, er stehe in «Kontakt zum Universum», findet in einem Park einen abgetrennten Fuss. Kurzerhand ernennt er sich zum Kommissar und schwört sich, den Täter zu finden.
Anaïs Meiers Debüt «Mit einem Fuss draussen» ist ganz schön grotesk. Der Roman erzählt von sprechenden Enten, korrupten Lokaljournalisten und depressiven Hündelerinnen.
Durchbruch in Deutschland
Nun wurde Meier für ihre Texte mit dem renommierten Förderpreis Komische Literatur ausgezeichnet. Sie überrasche als «unerhörte Stimme literarischer Komik», so die Jury .
Eine grosse und erfreuliche Überraschung sei das, sagt Meier. Gleichzeitig sei sie erstaunt, dass sie praktisch die erste Frau aus der Schweiz sei, die den Preis erhalte. Schliesslich gebe es viele lustige Schweizerinnen.
Der Hauptpreis ging an den deutschen Komiker Helge Schneider, eines ihrer literarischen Vorbilder. Seine «Kommissar Schneider»-Romane hätten sie zu ihrem absurden Anti-Krimi inspiriert, erklärt Meier.
Wie Schneider hat die Wahlzürcherin ein Talent dafür, verschiedene Genres zu persiflieren, etwa Heimatliteratur oder Reportagen. So schreibt sie einen bissigen fiktiven Bericht über ein Emmentaler Dorf, in dem Frauen bis heute kein Stimmrecht haben. Sie machen sich allerdings nichts daraus, weil sie den Erfolg ihrer Food-Blogs nicht gefährden wollen.
Ihre Satire versteht Meier auch als feministisch: «Wenn man als Frau in der Schweiz aufwächst, muss man sich entweder selbst verleugnen, oder man braucht schwarzen Humor», erklärt sie. Das zeigt etwa ein Text darüber, welche Reaktionen Frauen in hiesigen Apotheken erfahren, wenn sie die «Pille danach» kaufen.
Bewusster Bruch mit Konventionen
«Mit einem Fuss draussen» spielt auch mit Sprachkonventionen. Ihrem Erzähler Gerhard unterlaufen zuweilen grammatikalische Fehler. Manchmal erfindet er gar eigene Wörter. Zudem liest sich der Text sehr mündlich und steckt voller Helvetismen.
Das ist Absicht. Am Bieler Literaturinstitut habe sie viele Eindrücke erhalten, was Sprache ist und tun soll. Es sei ihr deshalb ein Anliegen gewesen, sich von selbst und fremd auferlegten sprachlichen Einengungen zu befreien.
Beschwerdeportale als Inspiration
Für die Sprache des Romans liess sie sich von eher ungewöhnlichen Quellen inspirieren, etwa Online-Kommentaren. Besonders ergiebig sei die Homepage «Züri wie neu» gewesen. Dort können sich Bürgerinnen und Bürger über Verschandlungen des Stadtbildes beschweren.
Der Stil dieser Meldungen habe sie sehr fasziniert, sagt Meier. Auch zufällig auf der Strasse gefundene Zettel seien eine wichtige Inspiration gewesen: «Sie sind oftmals viel skurriler als alles, was man sich selbst ausdenken könnte.»
Ein Schnurknäuel für 17 Franken
Skurril ist für Meier auch die Schweiz. Kürzlich habe sie etwa eine Walliser Gemeinde besucht, in der das Altpapier nur mit dem Gemeinde-Bündelband à 17 Franken gebündelt werden durfte. Das sei ein Beispiel dafür, welche Probleme man sich suchen könne, wenn man unbedingt welche wolle, erzählt sie und lacht.
Dieser hintersinnige Blick auf die Absurditäten der Eidgenossenschaft zeichnet auch ihre Texte aus. Wie ihre Figur Gerhard stellt sich Meier bewusst als Beobachterin an den Rand der Gesellschaft.
Diesem Fokus auf die Schweiz will sie auch in Zukunft treu bleiben. Nur schon, weil sie nicht gross herumkomme. Zudem fasziniere sie das Kleine: «Der nächste Schritt wäre wohl ein Buch, das in der Swissminiatur spielt», scherzt sie.