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Schweizer Literaturpreise Preispolitik: Das Bundesamt für Kultur reagiert auf Kritik

Das Bundesamt für Kultur zeichnet die Tessinerin Anna Felder mit dem «Grand Prix Literatur» aus – und reagiert auf Kritik an seiner Preispolitik. Das Grundproblem ist aber nicht gelöst.

Die höchste Schweizer Literaturauszeichnung geht ins Tessin: Anna Felder erhält für ihr Gesamtwerk den mit 40'000 Franken dotierten «Grand Prix Literatur».

Die 80-jährige Autorin erhält den Preis «für die Originalität eines von Menschlichkeit und Humor geprägten Werks», schreibt das Bundesamt für Kultur (BAK) heute Freitag in einer Mitteilung.

Porträt Anna Felder
Legende: Das Werk von Anna Felder «verführt mit seiner Poesie und seiner Musikalität», schreibt das BAK. SRF/Lukas Maeder

Schweizer Literaturpreise 2018

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  • «Grand Prix Literatur»: Anna Felder
  • Spezialpreis Übersetzung: Yla von Dach

Weitere Preise gehen an:

  • Michael Fehr («Glanz und Schatten»)
  • Friederike Kretzen («Schule der Indienfahrer»)
  • Yael Inokai («Mahlstrom»)
  • Jérôme Meizoz («Faire le garçon»)
  • Baptiste Gaillard («Un domaine des corpuscules»)
  • Fabiano Alborghetti («Maiser»)
  • Dumenic Andry («Sablun»)

Letztjährige Gewinnerin schon vergessen

Eine grosse Ehre für die Tessinerin also. Doch wissen Sie noch, wer vor einem Jahr den Schweizer «Grand Prix Literatur» bekommen hat? Nein? Dann sind sie nicht allein.

Die Nachfrage bei zehn literaturinteressierten Kolleginnen und Kollegen ergab: Nur einer konnte sich an den Namen der Westschweizer Autorin Pascale Kramer erinnern. Das liegt nicht an der Qualität ihrer Bücher, sondern an der Zahl der Schweizer Literaturpreise.

«Es geht um Anerkennung und Freiraum»

Das BAK vergibt seit 2012 jährlich einen bis zwei «Grand Prix Literatur», dotiert mit je 40'000 Franken. Dazu kommen ein ebenso hoch dotierter Spezialpreis für die Vermittlung oder Übersetzung und sieben Schweizer Literaturpreise, dotiert mit je 25’000 Franken.

«Es geht in erster Linie um Anerkennung», sagt Danielle Nanchen, Leiterin der Sektion Kulturschaffen beim BAK. «Finanziell bedeutet die Auszeichnung ein Stück Freiraum für die Autorinnen und Autoren.»

Beides ist wichtig für Kulturschaffende: Anerkennung ihres Werks, ebenso wie finanzieller Freiraum. Doch dieses Ziel könnte man auch erreichen, indem man Förderbeiträge anstatt Preise vergibt. Fehlen würde dann allerdings der Glamour, die öffentliche Aufmerksamkeit, die man sich von Preisen erhofft.

Audio
Was wurde aus der Kritik an den Schweizer Literaturpreisen?
aus Kultur kompakt vom 18.01.2018. Bild: Colourbox
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 13 Sekunden.

Es geht um die Vielfalt der Schweiz

Dass zu viele Preise allerdings eine inflationäre Wirkung haben, diese Kritik sei beim BAK angekommen, sagt Danielle Nanchen. Die Zahl der Schweizer Literaturpreise sei bereits reduziert worden.

Schaut man auf die vergangenen Jahre zurück, handelt es sich aber nur um eine minime Änderung: Während im Jahr 2014 insgesamt zehn Preise vergeben wurden, sind es in diesem Jahr neun – das ist immer noch sehr viel für ein so kleines Land wie die Schweiz. Es ist fraglich, ob wirklich jedes Jahr so viele preiswürdige neue Bücher erscheinen.

Doch die hohe Anzahl an Preisen sei nötig, um der Vielsprachigkeit gerecht zu werden, so Nanchen: «Die Preise müssen die Vielfalt der Schweiz anerkennen. Dazu gehören Bücher auf Französisch, Rätoromanisch, Italienisch und Deutsch.» Das unterscheidet die Literaturpreise des Bundes vom Schweizer Buchpreis und vom Solothurner Literaturpreis, die nur auf die deutschsprachige Literatur beschränkt sind.

Ist das föderalistische, sprachübergreifende Prinzip denn überhaupt sinnvoll im Bereich der Literatur? «Wir sind uns bewusst, dass die Kanäle und Märkte in den drei Sprachregionen anders funktionieren», sagt Danielle Nanchen. Das BAK müsse Kulturpreise aber über die Sprachgrenzen hinweg verleihen.

Hohe Kosten für Promotion

Das ist mit einem grossen Vermittlungsaufwand verbunden. Letztes Jahr gab es in den Medien heftige Kritik daran, dass von der Gesamtsumme, die für die Schweizer Literaturpreise zur Verfügung steht, nicht einmal die Hälfte den Autoren zugutekommt. Von den rund 760’000 Franken flossen gut 262'000 in Preisgelder. Der Löwenanteil, mehr als 414'000 Franken, wurde für Promotion und Vermittlung verwendet.

Das sei allerdings ein wichtiger Bestandteil der Literaturpreise, sagt Danielle Nanchen: «Die Promotionsarbeit gehört dazu. Wir merken auch, dass die mehrsprachigen Publikationen, die wir machen, wichtig sind.»

Das sei auch ein Anreiz für Verleger, prämierte Werke zu übersetzen. Dazu kommt ein Festakt für die Preisverleihung, und die Autorinnen und Autoren können auf Lesetournee durch die Schweiz gehen.

Sparmassnahmen lösen Grundproblem nicht

In diesem Jahr werden nun aber bei der Promotion knapp 140’000 Franken eingespart. Es gibt weniger Fotos und nur noch zwei Videoporträts von Preisträgern – anstatt wie im letzten Jahr noch neun Porträts, die mit 107’000 Franken zu Buche schlugen.

«Konstruktive Kritik ist immer willkommen», sagt Danielle Nanchen dazu. «Die Kritik stimmte auch mit unseren eigenen Überlegungen überein. Wir wollen da sparen.»

Veränderungen im Kleinen gibt es also. Doch das Grundproblem ist damit nicht gelöst: Die verschiedenen Literatur- und Buchpreise in der Schweiz konkurrieren miteinander. Wollen sie eine nachhaltige Wirkung erzielen, dann müsste man die Zahl der Preise dringend reduzieren, nach dem Grundsatz: Weniger ist mehr.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 18.1.2018, 7.20 Uhr

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