Lesung mit Dominic Oppliger in einer kleinen Buchhandlung in Basel. Der Autor setzt sich und schlägt sein Buch mit dem Titel «acht schtumpfo züri empfernt» auf. Holt tief Luft und liest die 150 Seiten ohne Pause in einem Höllentempo vor, rattert buchstäblich die ganze Geschichte in 50 Minuten herunter.
Ein Erzähler, der nicht erzählen mag
Was denkt er sich dabei? Will er möglichst rasch zum Feierabendbier kommen? Mitnichten. Das rasende Lesetempo spiegle die Widersprüchlichkeit des Ich-Erzählers, sagt Oppliger.
Dominic Oppliger liest «acht schtumpfo züri empfernt»
Der wolle seine Erlebnisse zwar loswerden, möge sie aber eigentlich gar nicht erzählen. Ist halt ein wenig scheu, ein wenig linkisch und hat gerade eine Pechsträhne hinter sich.
Die Figur als Spiegel des Autors? Natürlich habe seine Erzählung autobiografische Züge, sagt Oppliger, aber für eine echte Autobiografie sei sie viel zu dicht. Abgesehen davon sei für ihn sowieso jede Autobiografie auch eine Fiktion, eine Erzählung.
Der auf vielen Hochzeiten tanzt
Und abgesehen davon war Dominic Oppligers bisheriges Leben sowieso viel bewegter als das seines literarischen Protagonisten. Sieben Jahre lang hat er als Gärtner gearbeitet, auch mal als «Güselmaa», als Sozialarbeiter, als Barkeeper.
Lange Jahre war er Musiker, jetzt nistet er sich im Leben als Schriftsteller ein. Dazwischen liegt ein Abschluss an der ZHdK im Studienfach «Transdisziplinarität». Dominik Oppliger ist einer, der es sich zum Programm gemacht hat, zwischen den Disziplinen zu vermitteln.
«Ich habe keinen charakteristischen Dialekt»
Auch mit seiner Mundart ist er zwischen Stuhl und Bank geraten. Aufgewachsen auf dem Mutschellen, «zwüsche Züri und Aargau», pflege er einen etwas schizophrenen DialektEr passe sich seiner dialektalen Umgebung stets an. Dass er trotzdem seine erste literarische Geschichte im Dialekt verfasst hat, das hat zwei gewichtige Gründe.
Mundartsongs als «Doomenfels»
Zehn Jahren lang war Dominic Oppliger als Schlagzeuger, Sänger, Gitarrist unterwegs. Einmal auch mit einem amerikanischen Singer-Songwriter.
Der sei zwar absolut mittelmässig gewesen, «aber mir wurde klar, dass ich auf Englisch niemals so wie der schreiben kann. Ich muss in meiner eigenen Sprache schreiben», war Dominic Oppligers Erkenntnis. Es folgten Musikalben mit Mundartsongs unter dem Namen «Doomenfels».
Vorbild Martin Frank
Sein Schlüsselerlebnis in Bezug auf die Mundartliteratur war der Roman «ter fögi ische souhung» von Martin Frank aus dem Jahr 1979, ein radikaler Text aus dem Schwulen- und Drogenmilieu mit ebenso radikaler Schreibung des Dialekts.
Das Schriftbild ist ganz dem Klang verpflichtet und weit entfernt von dem eines Pedro Lenz oder anderer Mundartautoren. Martin Frank wurde zu Dominic Oppligers persönlichem Mentor für das Schreiben.
«Schreibe so, wie du es hörst»
In Oppligers Novelle sieht das so aus: «ich bi grapmittem zug acho xi / idere schtatt / acht schtumpfo züri empfernt». Sein radikales Schriftbild kostet zwar eine gewisse Eingewöhnungszeit, meint Dominic Oppliger. Der Gewinn sei aber, dass man beim Lesen das Ruder aus der Hand gebe zugunsten eines Rhythmus, der den Sinn erschliessbar mache.
Dass diese Schreibweise potentielle Leser abschrecke, dürfe kein Kriterium sein, wenn man Kunst mache. Überhaupt: Diese Geschichte hätte er nicht auf Hochdeutsch schreiben können. Sie brauche den Dialekt.
Eine nächste Novelle ist in Arbeit. Sie wird ähnlich lang wie die erste. Damit Dominic Oppliger sie vor Publikum auch wieder in einem Zug vorlesen kann.