Yukio Mishima wurde eigentlich als Kimitake Hiraoka geboren. Seine Kindheit war aussergewöhnlich. Sein Vater, ein Regierungsbeamter, und seine Mutter, die dem Adel entstammte, kümmerten sich kaum um ihn.
Umso mehr tat dies seine Grossmutter mütterlicherseits. Sie war eine schrullige Dame, die jeden Tag mit einem nie eintretenden Tod rang und zu Wutausbrüchen neigte.
Kimitake verbot sie nicht nur jeglichen Sport, sondern auch das Spielen an der Sonne mit seinen Freunden. Stattdessen wuchs er behütet im Haus mit seinen Cousinen und deren Puppen auf.
Mutprobe mit Schnellzug
Mit zwölf kam er zurück nach Tokio, wo der militärisch-autoritäre Vater dem Jungen seine Vorstellung von Männlichkeit vermittelte.
Er hielt seinen Sohn als Mutprobe nahe an einen vorbeifahrenden Schnellzug. Oder durchsuchte sein Zimmer nach effeminierter Literatur.
In einem Elite-Gymnasium lernte Kimitake Deutsch, Französisch und Englisch und las Rainer Maria Rilke, André Gide, Oscar Wilde und Thomas Mann. Er begann, selbst Kurzgeschichten zu schreiben. Bald folgten Gedichte und Novellen.
Literarische Gehversuche
Der Einberufung in den Militärdienst des Zweiten Weltkriegs entging er, weil bei der Aushebung eine Erkältung fälschlicherweise als Tuberkulose diagnostiziert wurde.
Um nicht von seinen Mitstudenten gehänselt zu werden, schrieb er nun unter dem Pseudonym Yukio Mishima: gegen den ausdrücklichen Willen seines Vaters, dafür mit dem Segen der Mutter, die seine Manuskripte als erste las und korrigierte.
Nach seinem Universitätsabschluss trat er eine aussichtsreiche Stelle im Finanzministerium an, die er jedoch nach wenigen Monaten wieder aufgab, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Er hatte bald grossen Erfolg – dank seinem Talent, aber auch dank seinem Mentor Yasunari Kawabata.
Schönheit und Tod
Im Alter von 24 Jahren schrieb Yukio Mishima den autobiografischen Roman «Geständnis einer Maske», in dem er seine Homosexualität thematisierte. Es wurde ein Sensationserfolg und machte ihn auf einen Schlag berühmt.
Wahre Reinheit existierte für Mishima nur im Tod. Schönheit, schrieb er, sei etwas, das die Hand verbrenne, wenn man es berühre.
Seinem eigenen Körper misstraute Mishima. Deshalb hob er dreimal wöchentlich Hanteln und Gewichte. Nebenbei arbeitete er auch als Fotomodell.
Doch kein Literaturnobelpreis
Auf Reisen in die USA und nach Europa besuchte er die Schauplätze der Weltliteratur, während er selber solche schrieb und damit nicht nur reich wurde. Sondern auch ein Star.
Dreimal wurde er für den Literaturnobelpreis nominiert. 1968 erhielt ihn aber sein Landsmann Yasunari Kawabata.
Die linken Studentenproteste, die ab 1960 begannen, trieben Mishima zunehmend ins rechte Lager. Er machte eine militärische Grundausbildung und gründete mit Gleichgesinnten die kaisertreue Miliz Tatenokai, die er selbst im japanischen Schwertkampf Kendo sowie in militärischem Drill trainierte.
Gescheiterter Staatsstreich und Selbstmord
Am 25. November 1970 drang er mit vier Genossen ins Militärhauptquartier im Zentrum Tokios ein, nahm den Kommandanten als Geisel und trat in einer theatralischen Phantasie-Uniform auf den Balkon.
Dort verlas er eine Erklärung, laut welcher das Parlament aufgelöst und die politische Gewalt wieder an den japanischen Kaiser übertragen werden müsse. Doch von den Soldaten kamen nur Pfiffe und Buhrufe. Mishima trat zurück ins Zimmer, wo er sich ein Kurzschwert in den Bauch stiess.
Ein Tatenokai-Mitglied übernahm dann die Rolle des «Kaishakunin», des Sekundanten beim Seppuku. Er schlug Mishima mit einem Samuraischwert das Haupt ab. Eigentlich sollte es sein Liebhaber Masakatsu Morita tun. Er war dazu aber nicht in der Lage.
Mishima hatte seinen Suizid über ein Jahr lang minutiös vorbereitet und wahrscheinlich nie wirklich mit einem Gelingen seines grotesken Coup d’Etat gerechnet.
Mishima bedachte in seinem Testament seine Frau und seine zwei Kinder sowie die Familien seiner Kameraden. Und er hatte nach Samurai-Tradition vor seiner Selbstentleibung ein Todesgedicht verfasst.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Tageschronik, 25.11.16, 11:45 Uhr