Urs Widmer erntete für seine Lesung aus seiner demnächst erscheinenden Autobiographie «Reise zum Rand des Universums» minutenlangen Applaus. «Kein Schriftsteller, der bei Trost ist, schreibt eine Autobiographie» beginnt das Werk.
Und es hört sich auch nicht wirklich an wie eine Autobiographie, sondern so skurril wie die fiktionalen Werke des Autors. «Das Leben erfinden aus dem, was man erinnert» nennt er sein poetisches Verfahren.
Dem Bewährten treu geblieben
Widmers Buch beginnt mit der Beschreibung seiner eigenen Zeugung und passte damit gut zum Festivalmotto «Débuts.Anfänge.Inizi.Entschattas». Ein Anfang war die 35. Ausgabe der Literaturtage auch für deren Geschäftsführerin Bettina Spoerri.
Sie blieb über weite Strecken dem Bewährten treu. Einige angekündigten Neuerungen erwiesen sich eher als Kosmetik: Das tägliche, äusserst gut besuchte Spiel «Aller Anfang» etwa ähnelte dem «Icon Poet» von letztem Jahr, in beiden Fällen mussten Autoren und Publikum innert drei Minuten aus dem Stand eine Geschichte erfinden.
Auch das Festivalmotto «Anfänge» erinnerte an 2012, als das Thema «Musenkuss» lautete: In beiden Fällen wurde die Neugier von Lesenden über die Entstehung von Literatur bedient.
16 literaturpolitische Forderungen
In den morgendlichen Autorendialogen über Bedeutung von ersten Sätzen und auch in anderen Veranstaltungen zeigte sich dabei eine grosse Bandbreite von Einstellungen: Für einige ist der gelungene erste Satz die Initialzündung für den Rest des Buchs, für andere ein Verkaufsargument, für wieder andere unwichtig.
Wirklich neu - beinahe revolutionär - war der Think Tank, dessen literaturpolitische «Solothurner Verlautbarung» am Sonntagmittag verlesen wurde. In ihren 16 Thesen forderten zehn Autoren und fünf Verbandsvertreter nicht nur, wie erwartet, mehr Fördergelder, beispielsweise für Übersetzungen, Verlage, Buchhandel und Veranstaltungen.
Auch Kurioses steht auf der Wunschliste: SBB-Lesewaggons analog der Kinderwaggons, ein täglicher TV-Literaturtipp, vorzugsweise vor oder nach dem Wetterbericht sowie eine neue Literaturgattung namens Stör, die alles versammelt, was nicht in die üblichen Genres passt.
Zugkraft der grossen Namen
Zu den Höhepunkten des Festivals zählten die Abendveranstaltungen mit dem US-Autor Michael Cunningham (»The Hours») und dem ungarischen Friedenspreisträger Péter Esterházy. Auch der Film «Niklaus Meienberg revisited» zum 20. Todestag des unbequemen Autors und Journalisten zog Massen an. Dasselbe gilt für die Hommagen für den Liedermacher Mani Matter und den kürzlich verstorbenen Jörg Steiner.
Doch das Publikum zeigte sich auch neugierig auf weniger massentaugliche Themen: Für das Podium der Robert-Walser-Übersetzer mussten laut Medienbüro sogar Besucher abgewiesen werden.