Alles neu macht der Mai und wer es nicht glaubt, es stimmt doch. Selbst in Solothurn: neue Leitung, neue Ideen, neue Köpfe und ein paar nicht mehr ganz neue. Die sind aber nicht mehr wegzudenken und selbst die fangen immer wieder von vorne an.
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Mehr Partizipation
Anfänge sind das Thema und die neue Leitung unter Bettina Spoerri nimmt das ernst, aber nicht zu ernst, manches kommt in der Ankündigung leicht und zumindest spielerisch gedacht daher. «Weniger Frontalunterricht» ist gewünscht, das ist ja ein doppeltes Versprechen: weniger frontal und weniger Unterricht. Wer will da schon nein sagen. «Mehr Partizipation» sei gewünscht und so kreieren die Veranstalter ein «Anfänge-Spiel», bei dem nicht nur die AutorInnen sondern auch die Zuhörer mitmachen können.
Literatur als Gesellschaftsspiel
Gemeinsam soll aus einem Anfangssatz innerhalb von drei Minuten ein Text miteinander entwickelt werden, das klingt nach Dialog, nach Ideen, nach frischem Wind. Die Ergebnisse werden dann vorgestellt. Literatur als gemeinsames Schöpfen, das kann durchaus lust- und phantasievoll werden. Schon im letzten Jahr gab es einen ähnlichen Ansatz, ein Gesellschaftsspiel namens «Icon Poet» bei dem aus Einzelbegriffen mit vereinten Kräften ein Text gebastelt wurde und es war der Renner.
Anfänger - die Spezialisten für den Anfang
Die Anfänger erhalten dieses Jahr erstmals eine eigene Sparte und so stellen Daniel Mezger, Jens Nielsen und Jolanda Piniel Erstlinge vor. Aber auch das Neue selbst wird vor Ort versucht: Im «Poesiesalon» im Palais Besenval wird der Versuch gestartet, sich ausserhalb der ausgetretenen Formulierungswege, abseits des Abgedroschenen, jenseits der Standarts und Hülsen zu bewegen: Neues soll geschaffen, neue Formulierungen gefunden, Neuland betreten werden. Literaturtage nicht vom Ende sondern vom Anfang her gedacht - das gab`s so noch nicht.
Lebendige Literatur mit Think Tank
Insgesamt 120 Autoren und Autorinnen treffen aufs Publikum und werden diskutieren über erste Sätze und deren Potential, Lesungen wird es genauso geben wie Podien, eine literarische Improvisation startend mit einem ersten Satz der Weltliteratur. Ein «Think Tank» wird seinem Namen alle neudeutsche Ehre machen: 15 Sachverständige werden das Verhältnis von Literatur und Gesellschaft unter die Lupe nehmen, werden Thesen formulieren und diese der Öffentlichkeit als «Solothurner Verlautbarung» präsentieren, womit die Literaturtage-Leiterin Bettina Spoerri die Hoffnung verbindet, dies möge der Autoren- und Literaturförderung in der Schweiz einen kräftigen Schub verleihen, Solothurn soll wieder «verstärkt zu einem Impulszentrum für wichtige kulturpolitische Anliegen werden». Auch das könnte wieder ein Neuanfang sein und so bespielen die 35. Literaturtage das Thema auf allen erdenklichen Ebenen: auf der Literarischen, der Spielerischen, der Politischen.
Grosse Namen und viele noch dazu
120 Autoren, Autorinnen, ÜbersetzerInnen unter Anderem: Michael Cunningham, Jenny Erpenbeck, Buchpreis-Gewinnerin Ursula Krechel, Julya Rabinovitch, Alexis Jenni, Péter Esterházy, Bodo Hell, Eveline Hasler, Hansjörg Schertenleib, Matthias Zschokke.
Und dann noch die Hommagen an die grossen Namen: Urs Widmer zum 75. Geburtstag, Jörg Steiner zum Gedenken, Mani Matter anlässlich einer neuen Biografie, Niklaus Meienberg zur Feier seiner Aktualität und die Verleihung des Solothurner Literaturpreises an Franz Hohler.
Kulturminister Alain Berset persönlich übergibt die erstmals verliehenen Schweizer Literaturpreise, wie das Bundesamt für Kultur mitteilte: Sie gehen an Erica Pedretti, Fabio Pusterla, Jean-Marc Lovay.
Nach Museum klingt das alles nicht - eher nach prallem Leben für alle, für die die Welt zwischen zwei Buchdeckeln steckt.