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Zensur bei Roald Dahl? «Charlie und die Schokoladenfabrik» umgeschrieben – zu Recht?

Aus «fett» wird «umfangreich»: Bei Roald Dahls Kinderbuchklassikern wurde der Rotstift angesetzt. Wie soll man mit heiklen Wörtern in der Kinderliteratur umgehen? Eine Einordnung.

Die beliebten Kinderbücher des britischen Schriftstellers Roald Dahl sorgen derzeit für Aufruhr in der Literaturwelt: Einige seiner Werke, darunter «Charlie und die Schokoladenfabrik», «Matilda» und «Hexen hexen», wurden von einem englischen Verlag sprachlich stark angepasst: statt «fett» schreiben sie «umfangreich», statt «winzig» ist von «klein» die Rede.

Man habe zudem auch genderneutrale Umformulierungen vorgenommen, um sensibilisierte Lesende zu berücksichtigen, erklärte der Verlag. Die «Causa Dahl» ist kein Sonderfall: Es sei gängige Praxis, dass Kinderbuchklassiker heutigen Standards angepasst werden, erklärt SRF-Literaturredaktorin Annette König. Vor allem bei rassistischen und diskriminierenden Begriffen werde dies häufig gemacht.

Ein übergewichtiger Junge mit schokolademverschmiertem Mund und seine Mutter
Legende: Umstrittene Figuren: Die übergewichtigen Augustus Globb (Philip Wiegratz) und Mrs. Gloop (Franziska Troegner) in Tim Burtons Verfilmung von «Charlie und die Schokoladenfabrik» von 2005. IMAGO/United Archives

Im hiesigen Markt kaum Thema

Im Fall Dahl geht die Sache mit den Sensibilitäten einen Schritt weiter, wie Elisabeth Eggenberger vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien bestätigt: «Ja, es sind neue Empfindlichkeiten dazu gekommen.»

Man dürfe jedoch eines nicht vergessen: «Die Kinderbücher wurden für den amerikanischen Buchmarkt neu verlegt. Beim deutschsprachigen Kinderbuchmarkt sind derartige Anpassungen kaum ein Thema.»

Dem amerikanischen Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverband gehen die Umschreibungen in Dahls Werk jedoch zu weit. Er bezeichnet sie als «gefährliche Waffe». Der Autor Salman Rushdie sprach von «Zensur».

Literatur dürfe nicht missbraucht werden, um Botschaften zu verbreiten, erklärt Literaturredaktorin König. Insbesondere bei der Kinderliteratur gebe es jedoch stets eine gewisse Gratwanderung zwischen pädagogischem und künstlerischem Anspruch. Aus diesem Grund gingen gerade dort die Wogen besonders schnell hoch.

Platz für Neues schaffen

Wie soll man mit heiklen Wörtern in Kinderbüchern umgehen? Laut Literaturredaktorin Annette König und Jugendbuch-Fachfrau Elisabeth Eggenberger gibt es mehrere Lösungsansätze. Man könne alles lassen, wie es ist. Das führe jedoch zu Diskussionen.

Alternativ kann man die heiklen Stellen «säubern» – auch dann riskiert man Debatten. Ebenfalls denkbar wären eine Triggerwarnung oder eine Erklärung am Anfang eines Buches.

Drei Bücher von Roald Dahl stehen auf dem Tisch.
Legende: Ab in die Schublade? Alte Ausgaben von Dahls Klassikern in einem New Yorker Laden. In dieser Fassung werden seine Werke in den USA wohl nicht mehr verlegt. AP Photo/Andrew Burton

Eggenberger bringt noch einen weiteren Aspekt in die Debatte: «Wieso haben Kinderbuchklassiker noch immer einen so hohen Stellenwert? Es gibt viele grossartige neue Kinderliteratur auf dem Markt, die auf sorgfältige Art und Weise mit aktuellen Fragestellungen umgeht.»

Die Hoffnung der Expertin: Wenn Kinder mit klugen, neuen Geschichten heranwachsen, entwickeln sie eine gute Basis, um Inhalte, die sie befremden, besser einordnen zu können.

Auch die Eltern spielen eine Rolle

Roald Dahls Klassiker könnten eines von ganze vielen Puzzlestücken im Wissen eines Kindes sein, erklärt Literaturredaktorin Annette König. Zudem werden Kinderbücher sehr oft von Erwachsenen vorgelesen. Sie müssten die Kinder dabei aktiv begleiten und mit ihnen über potenziell diskriminierende Inhalte reden.

Übrigens: Dahls Bücher sind kürzlich auch neu auf Deutsch übersetzt worden – ohne starke Umformulierungen.

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