Zum Inhalt springen

Meme des Jahres 2012 Wie Obama auch den Wahlkampf in Mem-Form gewann

Die Wahl des US-Präsidenten wurde mit viel Aufmerksamkeit und Leidenschaft begleitet. Die zwei Kandidaten wurden konstant, mit Adleraugen, wohlwollend wie auch hämisch, off- und online begleitet.

Am 6. November wurde zum 57. Mal der Präsident der USA gewählt, der Wahlkampf war (wie jedesmal) der teuerste aller Zeiten, die Aufmerksamkeit riesig, denn es war bis zuletzt nicht sicher, ob Barack Obama seinen Wahlsieg von 2008 wiederholen würde.

Der Wahlkampf erinnerte mit seinen Rallys, Parteitagen und TV-Duellen an ein grosses Theater – mit offenem Finale. Durch die breite Abdeckung der Medien schien jede Panne oder Fettnäpfchen, in das getreten wurde, innert Minuten zum Mem zu werden – was wiederum von den Medien aufgegriffen wurde. Titelzeilen wie «Schräge Aussagen im TV-Duell gegen Obama: Das Netz lacht über Mitt Romney» waren keine Seltenheit.

Wired.com fasste dieses Phänomen treffend zusammen: «Thanks in large part to the political theater of the presidential election, news and memes were pretty much the same thing in 2012. The news made the web, the web made the memes, and the memes made the news.»

«Eastwooding»  – oder der «Obama-Chair»

Clint Eastwood guckt ziemlich grimmig.
Legende: Schauspieler Clint Eastwood musste für seinen Auftritt viel Prügel einstecken. fashionzag

Eines der bekanntesten Meme der US-Wahlen war das «Eastwooding»-Mem: Auf dem Parteitag der Republikaner im August 2012 tat Schauspieler Clint Eastwood bei seiner Ansprache so, als ob Präsident Barack Obama neben ihm sitzen würde: Eastwood unterhielt sich rund zehn Minuten mit einem leeren Stuhl. Der Auftritt des 82-Jährigen war verwirrend. Niemand wusste so recht, ob das ein misslungener Scherz von Eastwood war oder einfach ein alter Mann mit ersten Anzeichen von Alzheimer, der sich auf die Bühne verirrt hatte.

Der Auftritt beschäftigte die Menschen. Während die Medien Eastwoods Rede dokumentierten und kommentierten, machte sich Internetgemeinde sofort darüber lustig: Innerhalb weniger Stunden machten Fotos auf Blogs oder Facebook die Runde, auf denen sich Menschen mit leeren Stühlen unterhielten («Obama kam überraschend zum Abendessen vorbei»).

Mitt Romney, Herr der Fettnäpfchen

Mitt Romney, der ehemalige Gouverneur von Massachusetts und Präsidentschaftskandidat der Republikaner, hatte im Wahlkampf mit vielen Vorwürfen zu kämpfen – aber vor allem mit seinem Image als kaltherziger Multimillionär. Einige populäre Meme der US-Wahl gingen auf Mitt Romney zurück – er bot der hämischen Internetgemeinde auch allzu viele Vorlagen.

Ein Mem, das hier herausstach war «Romney vs. Big Bird». In einem TV-Duell hatte Romney angekündigt, dem Sender PBS die staatliche Finanzierung zu streichen, was auch das Ende der Kindersendung «Sesame Street» («Sesamstrasse») bedeutet hätte – und das obwohl Romney ein grosser Fan von der Figur Big Bird (zu deutsch Bibo) sei, wie er betonte: «I’m sorry Jim, I’m gonna stop the subsidy to PBS, I like PBS, I love Big Bird, I actually like you too, but I am not going to keep spending money on things to borrow money from China to pay for.»

Daraufhin prasselten die Vorwürfe auf Romney nur so nieder. Der nicht nur bei Kindern beliebte Big Bird war schnell als unschuldiges Oper hochstilisiert und der Gegensatz «Rücksichtsloser Romney vs wehrloser Big Bird» liess sich breit ausreizen.

Obama, der Mem-Gott

Natürlich gab es auch zahlreiche Obama-Meme – und nicht nur positive. Doch unterm Strich konnte Barack Obama wohlwollendere Meme verzeichnen als sein Gegenspieler Mitt Romney.

Dem US-Präsidenten werden die Worte in den Mund gelegt: «Sagen Sie alle Termine ab. Ich mache ein Mem.»
Legende: Von Barack Obama und seinem Wahlkampf-Team wurde die Macht der sozialen Medien und der Meme durchaus ernst genommen. knowyourmeme.com

Das überrascht kaum angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der US-amerikanischen Internet- bzw. Social-Media-User Demokraten sind (wie eine Studie des Pew Research Centers  zeigt). Jedoch kann man dieses Ungleichgewicht auch als eine persönliche Leistung Obamas sehen: Als Politiker bewegt er sich schon mehrere Jahre professionell und vor allem sicher auf dem rutschigen Parkett der Sozialen Medien.

25 Millionen Menschen folgen Obamas Twitter-Account, damit ist der Politiker auf Platz 5 der Twitter-Bestenliste,  nach den Popstars Lady Gaga, Justin Bieber, Katy Perry und Rihanna. Obama hatte als einer der ersten US-Politiker ein eigenes Social-Media-Team gegründet, das ihn im Wahlkampf 2008 unterstützte und damals für Aufsehen sorgte.

2012 ging der Präsident der USA sogar noch einen Schritt weiter: Er war nicht nur Objekt der Meme, Obama bzw. seine findigen Mitarbeiter mischten selber kräftig mit – und produzierte eigene Meme: Kurz nach der «Stuhl-Rede» von Clint Eastwood twitterte Obama ein Bild von ihm im Präsidentensessel mit dem Kommentar «This seat is taken».

Meistgelesene Artikel