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100 Jahre Georg Kreisler Mit seinen Liedern schaffte er die Quadratur des Kreislers

«Tauben vergiften» und weitere schwarzgallige Texte: Der Chansonnier Georg Kreisler glänzte in der Kleinform des bitterbösen, gewitzten Chansons.

Fein wie eine asiatische Porzellantasse. Die Harmonien auf dem Klavier: reduziert. Der Text knapp wie ein Haiku-Gedicht. Das Ganze knapp eineinhalb Minuten kurz: Im letzten Lied «Warum» der Sammlung «Everblacks» ist ein ganz anderer Kreisler zu vernehmen. Doch wer wollte das hören?

Georg Kreisler wurde vor 100 Jahren, am 18. Juli 1922 in Wien geboren. Der Musiker, Chansonnier, Autor auch von Theaterstücken, Romanen, Opern zuletzt, wurde in den 1960er Jahren mit Chansons wie «Tauben vergiften» oder «Opernboogie» bekannt. Hier zeigten sich seine Talente als Texter, Pianist und Sänger in Personalunion.

Kreisler schrieb bitterböse, komische, absurde Texte. Im «Bluntschli» hat ein Polizist einen Knopf, eine Birne, einen Bleistiftspitzer und eben einen «Bluntschli» in seiner Kartonschachtel. Wozu der gut sein soll? Kreisler kommt zum Schluss, dass wenn der Polizist diesen unerklärlichen «Bluntschli» nicht hätte, er ein Niemand wäre. So lässt sich Behördenwillkür benennen. Zum grossen Vergnügen des Publikums.

«Tauben vergiften» durfte nicht gesendet werden

Zu seinem bekanntesten Lied «Tauben vergiften» meinte Kreisler, der 15 Jahre lang in Basel lebte, 2006 in der SRF-Sendung «Aeschbacher»: «Damals war es modern, Tauben zu vergiften. Ich habe das Lied zu einer Wiener Walzermelodie geschrieben. Also etwas Alltägliches, Lustiges. Das war die Provokation. Es durfte auch im Fernsehen und Rundfunk nicht gebracht werden. Jahrelang.»

«Tauben vergiften» wurde zu Kreislers Markenzeichen. Die Kombination tief ironischer, bis schwarzgalliger Texte mit hinreissend gespielter, eingängiger Musik. Das war keine Provokation mehr, sondern gewitzte Gesellschaftskritik. Da wurden auch Ehefrauen reihum gemordet («Bidla Buh»), mussten engste Freunde für eigene Verbrechen hinhalten («Der guate, alte Franz») oder war das eigene «Mütterlein» kriminelles Vorbild.

Humor aus vergangenen Zeiten

Auch im Surrealen glänzte Kreisler. Er besang ein «Mädchen mit drei blauen Augen». Wie er einem Echo in «Max auf der Rax» die Vokale im Mund verdrehte, ist schlicht unschlagbar. «Statt Bier trink ich Bor und aus mir wird ein Mohr», textete er, damals noch unbescholten. Heutigen Debatten darf man mit dieser Art von Humor nicht mehr kommen. Kreisler würde wohl als Frauenfeind und Rassist bezeichnet.

Der in den 1930er-Jahren vor den Nazis in die USA Geflohene kehrte nach dem Krieg nach Europa zurück. Er lebte zuletzt bis zu seinem Tod in Salzburg. In Österreich fasste er aber nur widerwillig Fuss. Kreisler, seit 1943 US-Bürger, beklagte sich, dass Österreich ihm nach der Flucht die Staatsangehörigkeit aberkannt hatte.

«Warum sind die Leute so feige?»

Ebenso beklagte sich Kreisler darüber, dass seine späteren Werke nicht gebührend wahrgenommen wurden. Er wurde zeitlebens mit seinen Chansons identifiziert. Dem Absurden, dem tief Ironischen darin. So sehr, dass auch heute ein kleines Lied wie «Warum» fast überhört wird. Obwohl Kreisler hier für einmal wirklich den Zeigefinger hebt und fragt: «Warum sind die Leute so feige?» Doch das wollte und will man von ihm nicht hören.

SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 18.07.22, 17:40 Uhr

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