Eine schöne Frau, die musikalisch und gleichzeitig clever ist? Noch in den 1980er-Jahren offenbar ein verwirrendes Konzept.
Sade musste sich auf jeden Fall immer wieder rechtfertigen, dass sie von Beginn weg die Fäden in der Hand behielt. Ihre Musik kontrollierte. Und ihr Bild nach aussen.
«Ich bin, was ich bin»
Eines der ersten Fernseh-Interviews, zum Beispiel. Da fragt der Moderator: «Wie ist das mit deinem Hintergrund als Model? Spielst du ein Spiel? Kreierst du ein Image und verkaufst das an die Medien?» Und Sade erwidert: «Nicht wirklich. Das ist kein Image, niemand macht mich. Ich bin, was ich bin.»
Sade ist, was sie ist. Die einen fühlen sich magisch angezogen von ihrem kühlen Sound – die andern können damit nichts anfangen. An Sade vorbei aber kommt niemand: Mit ihrem «Smooth Operator» hat sie das Musikbusiness in den 1980er-Jahren neu definiert.
Schön und schlau
Warum? Weil sie sich als junge, wunderschöne und talentierte Frau nichts hat vorschreiben lassen. Sie ist neu im Business. Aber kein Produzent darf ihr sagen, wie ihre Musik zu klingen hat. Kein Manager baut ihr ein Image auf.
Stattdessen baut sich Sade einen geschickten Plattenvertrag: Sie erhält einen eher kleinen Vorschuss – dafür aber einen für eine Newcomerin unüblich grossen Anteil an den Verkäufen.
Der Plan: Durch das Business unabhängig werden vom Business.
Und dann: Erfolg
Und der Plan geht auf. «Diamond Life» erscheint 1984, ein Statement schon im Titel. Erfolg steckt darin, Reichtum – und Nachhaltigkeit. Tatsächlich: Das Album landet auf dem zweiten Platz in den englischen Charts, verkauft sich in England über eine Million, ausserhalb über sechs Millionen mal.
Das zweite Album mit der Single «The Sweetest Taboo» ist noch erfolgreicher, landet in England und Amerika (und in der Schweiz) zuvorderst in den Charts. Spätestens jetzt muss Sade nur noch dann arbeiten, wenn sie es will.
Bloss keine Eile
Genau das macht sie auch. Sie lässt sich immer mehr Zeit zwischen den einzelnen Alben. Für das dritte Album drei Jahre. Für das vierte vier. Sie versucht sich als Filmschauspielerin. Bekommt Mitte der 1990er-Jahre eine Tochter. Lebt möglichst zurückgezogen und gibt kaum Interviews.
Koketterie? Vielleicht. Über die Klatschpresse erfahren wir dann ja doch vom Ende ihrer ersten Ehe, und dass sie einige Zeit in Jamaica lebt. Wahrscheinlicher aber ist, dass Sade es einfach richtig gemacht hat.
Sie äussert sich als Künstlerin nur dann, wenn sie etwas zu sagen hat. Ihre beiden neuesten Alben von 2000 und 2010, «Lovers Rock» und «Soldier of Love», bestätigen das auf jeden Fall. Die Songs sind hervorragend, die Produktion ist extrem sorgfältig.
Kommt da was?
Jedes DSDS-Sternchen wäre nach einem Jahr ohne neue Musik abgeschrieben. Sade nicht. Wenn ihr langjähriger Mitmusiker Stuart Matthewman Ende 2018 ankündigt, sie seien an einem neuen Album, dann geht das wie ein Lauffeuer durch die Medien.
Falls das Album dieses Jahr kommt und Sade damit auf Tour geht, wird diese Tour in kürzester Zeit ausverkauft sein. Weil eine junge Frau in den 1980er-Jahren die richtigen Weichen gestellt hat.