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Musik Adieu «Manne» – der Schauspieler und Musiker Manfred Krug ist tot

Manfred Krug hat als Schauspieler mit «Tatort» und «Liebling Kreuzberg» Erfolge gefeiert. Seit den 70er-Jahren war «Manne» in der DDR auch ein gefragter Jazzsänger. Jetzt ist er im Alter von 79 Jahren gestorben. Musikredaktorin Theresa Beyer verbindet mit ihm ein Stück Heimat.

Auf dem Albumcover ranken sich bunte, blumige Buchstaben um einen kernigen Typen in Lederjacke – «Das war nur ein Moment» heisst die LP, das erste Soloalbum von Manfred Krug von 1971.

Ja, der Manfred Krug, den man in der Schweiz und in Westdeutschland vor allem als kauzigen Hauptkommissar Stoever aus dem «Tatort» kannte.

Ohne «Manne» ging nichts

Diese Amiga-Platte ist ein Heiligtum in meinem Plattenregal. Jeder in meiner Familie besitzt eines dieser raren Exemplare. Denn egal bei wem wir uns versammeln, früher oder später hat die Platte ihren Auftritt.

Mit der ersten Note geht die Party los: Alle tanzen, spielen Lufttrompete, singen laut mit, vom Enkelkind bis zur Grossmutter.

Eine Aufnahme von Manfred Krug als Kommissar Paul Stoever in «Tatort».
Legende: Mit «Tatort», «Liebling Kreuzberg» und «Auf Achse» erspielte sich Manfred Krug einen Platz in der Fernsehgeschichte. Getty Images

Experimentierfreudiger 70er-Jahre-Sound

Familiär vorbelastet komme ich nicht umhin zu sagen: Mir ist bisher kein deutschsprachiger Soul begegnet, der glaubwürdiger ist als diese DDR-Tanzmusik.

Da geht die Post ab: experimentierfreudiger, treibender 70er-Jahre-Sound, der von den pfiffigen Arrangements von der DDR-Jazzikone Günther Fischer lebt.

Alltagsgeschichten mit viel Liebe

Dazu Krugs liebenswürdiger, wunderbar unperfekter Bariton und seine witzigen Texte – Alltagsgeschichten, in denen ein gnadenloser Romantiker aufs Ganze geht.

Da kommt der Heiratsantrag nach dem ersten Date, da entfaltet sich ein ganzes Melodram um eine Frau, die ihm jeden Morgen im Tram gegenübersitzt.

Jazzfreie Ostzone

Krugs souligen Chansons hört man Pioniergeist und Aufbruchsstimmung an: Anfang der 70er-Jahre war Jazz in der DDR noch als dekadenter Amerikanismus verpönt.

Krug hat dazu beigetragen, ihn salonfähig zu machen. Das Faible dafür hat er aus der amerikanischen Besatzungszone mitgebracht: Jazz war die Musik, die aus dem Plastikradio seiner Grossmutter in Duisburg schallte. Dort ist er aufgewachsen.

Erfolgreich wie kaum ein anderer

Als sich seine Eltern scheiden lassen, geht er mit dem Vater in die neu gegründete DDR und dockt nach der Lehre zum Stahlschmelzer, einem Schauspielstudium und 1957 seinem Filmdebüt an die Ostberliner Künstlerszene an.

Mit Erfolg: Sowohl als Sänger, als auch als Schauspieler etabliert er sich, wird zum Publikumsliebling und verdient bald so viel wie kaum ein anderer Künstler zu der Zeit in diesem Land.

Die beiden Kommissare stecken die Köpfe zusammen, Manfred Krug (links) hat einen Telefonhörer in der Hand.
Legende: So kennt ihn die Schweiz: Manfred Krug als «Tatort»-Kommissar (hier mit Charles Bauer, links), im Jahr 2000. Imago/fossiphoto

Von der DDR desillusioniert

Manfred Krug glaubte an die sozialistische Idee. Aber wie so viele war er immer mehr von ihrer Umsetzung enttäuscht.

Als 1966 Kulturfunktionäre den Film «Spur der Steine», in dem er einen aufmüpfigen Zimmermann spielt, boykottieren und dann verbieten, wird er wütend auf den Staat.

Als zehn Jahre später Wolf Biermann ausgebürgert wird, hat er die Faxen dicke und setzt seine Unterschrift unter die Protestresolution.

Krug ist deutsche Fernsehgeschichte

Das bleibt nicht ohne Konsequenzen: Die DDR isoliert ihn künstlerisch, er verliert den Anschluss. 1977 stellt er den Ausreiseantrag und siedelt mit seiner Familie in die BRD über.

Seine Antiquitätensammlung und seine Oldtimer nimmt er mit – aber seine Gesangskarriere bleibt in der DDR, denn im Westen ist er fortan nur als Schauspieler gefragt. Mit den Serien «Tatort», «Liebling Kreuzberg» und «Auf Achse» erspielt er sich einen festen Platz in der deutschsprachigen Fernsehgeschichte.

Medizin gegen Melancholie

Krugs Rolle in der DDR passt nicht in die gängigen Heldengeschichten: Er war kein Systemkritiker, nie so politisch-moralisch wie Wolf Biermann, und obwohl er grossartig singt, schreibt und spielt, gehörte er auch nach der Wende nie in den Reigen der gesamtdeutschen Vorzeigekünstler.

Eher verkörpert «Manne» eine seltsam spiessige Gemütlichkeit und wahrscheinlich hätte ich ihn bei einem Treffen nicht mal wahnsinnig sympathisch gefunden.

«Manne» ist Heimat

Aber wenn er singt, ist das alles nebensächlich. Wegen dieser Stimme bleibt die bunte Platte, auch nach seinem Tod, meine beste Medizin gegen Melancholie. Sie ist ein Stück Heimat.

Vielleicht hat dieser Familien-Soundtrack sogar geprägt, was ich auch in heutiger Musik suche: unbändige Energie, einen unverwechselbaren Sound, raffinierte Melodien, das Erzählen mit Tönen – und eine ordentliche Portion Witz. Adieu und danke, «Manne».

Sendung: 27.10.2016, SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 17:10 Uhr.

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